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Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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richtig gehört? Er mochte seinen Ohren nicht trauen.
    »Das ist Blasphemie, Ihr Herren, gotteslästerliche
Blasphemie!« Seine Stimme bebte vor mühsam beherrschter Empörung.
    »Ihr seid der Einzige, der es machen kann, Vater Tiefenthaler. Wir waren schon bei Eurem Kollegen Eck zu Kulmbach, aber er hat uns hinausgeworfen. Fuchsteufelswild ist er geworden.« Ulrich Groß von Trockau wusste, wovon er sprach; er hatte Ecks Tintenfass an den Kopf bekommen.
    »Geht nach Langheim zum Abt«, empfahl Tiefenthaler brüsk, »mit mir könnt Ihr nicht rechnen.« Er wandte sich wieder dem Altar zu, wo er die Utensilien für den nächsten Gottesdienst herrichtete.
    »Da waren wir schon.« Wolf von Wirsberg spuckte verächtlich aus. »Ein feiger Tropf, fett und verweichlicht. Er meinte, die Prozedur habe bestimmt Erfolg, das zeigten viele Beispiele zur Genüge, aber er selber könne sein Seelenheil nicht dabei aufs Spiel setzen. Dabei hat er gezittert wie ein Lämmerschwanz, pah. Vater«, er machte einen Schritt auf Tiefenthaler zu und packte ihn am Ärmel, »Ihr seid unsere letzte Hoffnung. Die feindlichen Armeen marschieren auf Kulmbach zu. Das Land um Neustadt an der Aisch ist bereits verwüstet, vierzehn Dörfer gibt es nicht mehr, alles tot. Wir stehen am Abgrund. Und Albrecht will immer noch nicht nachgeben. Er muss weg, das ist der einzige Weg!«
    »Warum habt Ihr noch niemanden zu ihm geschickt, der ihn meuchelt, wenn’s denn sein muss?«
    »Glaubt Ihr, das hätten wir nicht schon versucht? Einer von Lüchaus Männern hat ihm vor zwei Monaten ein Schriftstück überreicht und dabei versucht, ihn zu erdolchen. Leider hat der Stümper nur die Schulter getroffen. Seitdem lässt Albrecht keinen mehr an sich heran außer seinem Leibdiener. Er hat sofort eine Strafexpedition auf den Weg geschickt. Lüchau wurde gefoltert. Sie wollten die Namen seiner Mitverschwörer, aber der tapfere Kerl hat uns nicht verraten. Daraufhin haben sie ihn gevierteilt und die Leichenteile ans Burgtor genagelt. Da hängen sie heute noch.«
    »Schrecklich.« Tiefenthaler schauderte.
    »Das Mortbeten ist ein letztes Mittel, Vater. Glaubt mir, wenn wir noch andere Möglichkeiten hätten, wir würden sie nützen. Aber solange Albrecht weit weg ist, können wir ihn nicht auf andere Weise packen. Alle gebirgischen Räte stehen hinter uns.« Der alte Trockau raufte sich die weißen Haare. »Helft uns, um Gottes Willen. Vielleicht können wir so noch unser Land retten. Und wer weiß wie viele Menschenleben.«
    Tiefenthaler verbarg das Gesicht minutenlang hinter den Händen. Man sah, dass er einen Kampf mit sich ausfocht. Dann schüttelte er den Kopf.
    »Ich kann nicht. Es ist schwarze Magie, die schlimmste und lästerlichste von allen, Schadenszauber im Gewand eines Gottesdiensts. Als Pfarrer bin ich dazu da, Seelen zu retten, nicht zu vernichten.
Allein die Vorstellung eines Mortbetens ist so ungeheuerlich … Nein, Ihr Herren, ich kann Euch nicht helfen, bei Gott und allen Heiligen.« Tiefenthaler bekreuzigte sich. »Verlasst jetzt die Kapelle. Ihr wart heute nicht bei mir, und wir haben nie miteinander gesprochen. Ich werde für einen glücklichen Ausgang beten.«
    Trockau schwang wütend seinen Umhang um und zurrte ihn fest. »Ihr seid genauso feig wie die andern, Tiefenthaler. Schade, ich hätt Euch anders eingeschätzt.«
    Er wandte sich auf dem Absatz um und ging durch den Mittelgang hinaus. Der alte Wirsberg folgte ihm.
     
    Tiefenthaler setzte sich in die erste Bankreihe. In seinem Kopf schwirrte es. Ein Mortbeten! Er hatte schon von solchen Dingen gehört, war aber selber noch nie damit in Berührung gekommen. In früheren Zeiten, als der alte römische Glaube noch alleingültig war, hatte man dieses teuflische Ritual wohl praktiziert: eine Totenmesse für einen Lebenden, eine Schwarze Messe, die unweigerlich dazu führte, dass derjenige, dem sie galt, sterben musste. Natürlich war das Mortbeten nur dann wirksam, wenn die Messe von einem echten Geistlichen zelebriert wurde. Und dass es wirken würde, daran hatte Tiefenthaler, genau wie die Räte, keinen Zweifel. Er sprach ein stilles Gebet und verließ die Kapelle.
    Er fand Barbara in der weißen Stube neben der Silberkammer, wo sie die Aufstellung des Silberknechts über das vorhandene Tafelgeschirr und andere Haushaltsutensilien kontrollierte. Sie saß mit gerunzelter Stirn an einem Tischchen, vor sich die Liste und ein Tintenfass, und kaute nachdenklich auf ihrem Gänsekiel. Tiefenthaler

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