Die Markgräfin
verdient. Sie zog Barbara resolut von der Fensterbank
hoch, drückte ihr die Kerze in die Hand und packte sie dann an beiden Schultern.
»Geht zu ihm, Herrin.«
Jakob Tiefenthaler hatte seine Sachen gepackt. Es schien ihm als der einzige Ausweg. Morgen bei Sonnenaufgang, sobald sich die Tore öffneten, würde er die Burg und Kulmbach verlassen. Wohl hundertmal hatte sich die Szene in der Silberkammer in seinem Kopf abgespielt, und er fand keine Entschuldigung für sich. Er hatte sich gehen lassen, auf die schlimmsterdenkliche Weise. Niedrigste Triebe hatten ihn in einem kurzen, unbedachten Moment überrumpelt, ihn, für den Enthaltsamkeit nie eine Last gewesen war – bis er diese Frau getroffen hatte. In der letzten Zeit hatte er sich oft eingeredet, er sähe die gleiche Leidenschaft auch in ihren Augen. Törichte Eitelkeit! Sie hatte ihn geschlagen, hatte sich beschmutzt gefühlt von seinem Übergriff.
Er hatte sich einen Zuber und etliche Eimer mit eiskaltem Wasser bringen lassen. Das war es schließlich, was man einem Mann der Kirche als Mittel gegen zu starke Erregung empfahl – kalte Güsse, nötigenfalls die Selbstgeißelung. Zunächst begoss er sich verbissen mit dem Wasser, bis er am ganzen Körper zitterte.
Als die Zeit des Abendessens kam, warf er sich aufs Bett und starrte die Decke an. Er hätte es nicht ertragen, bei Tisch die Verachtung in ihren Augen zu
sehen. Schlafen konnte er nicht, und so beschloss er, die Nacht mit Beten zu verbringen. Er zündete zwei Kerzen an, setzte sich an den Tisch vorm Fenster und schlug den Katechismus auf. Er konnte sich schlecht konzentrieren, und die Zeit verrann schmerzhaft langsam. Einmal, als er hochsah, glaubte er auf dem Schlosshof im flackernden Licht der Feuerpfanne eine verhüllte Gestalt zu erkennen, die lautlos am Brunnenhäuschen vorbeiging.
Barbara sah das Licht im Fenster des Pfaffenhauses, als sie unten vor der Treppe stand. Er war also noch wach. Langsam stieg sie Stufe für Stufe hinauf – von hier würde kein Weg mehr zurückführen. Sie schützte das kleine Flämmchen ihrer Talgkerze mit der hohlen Hand vor dem Luftzug, bis sie vor der Tür stand. Sie wartete. Drinnen war alles still. Vielleicht schlief er doch schon. Aller Mut wich von ihr. Sie wandte sich schon zum Gehen, als sie ein leises Geräusch aus der Pfaffenwohnung hörte. Es war das Murmeln eines Gebets. Ohne weiter zu überlegen, klopfte sie Hals über Kopf an.
Die Tür öffnete sich, und Barbara ließ das Tuch, mit dem sie ihr Gesicht verborgen hatte, sinken. Sekundenlang sahen sich die Liebenden an. Jakob begriff, nahm langsam, beinah furchtsam ihre Hand und zog sie ins Zimmer. Dann lagen sie sich in den Armen.
Sie wussten beide nichts über die Liebe, doch alles fand sich wie von selbst. Seine Hände glitten sacht über ihren nackten Leib, streichelten sie, liebkosten ihre Haut, wühlten in ihrem Haar. Er küsste ihren Mund, ihren Hals, die Innenseite ihrer Ellbogen, sah sie an, während ihre Hände seine glatte Brust, die behaarten Oberschenkel, die festen Hinterbacken erforschten. Seine Zunge umspielte ihre Brustwarzen, nippte einen Schweißtropfen aus ihrem Nabel. Tief sog sie den Duft seines Haars ein wie kostbares Parfüm. Sie berührten sich gegenseitig an den empfindsamsten Stellen, erkundeten mit staunender Langsamkeit den Körper des anderen, bis sich ihr Verlangen fast ins Unerträgliche steigerte.
Als er in sie eindrang, spürte sie einen kurzen, reißenden Schmerz, der in Lust überging, während sie ihren gemeinsamen Rhythmus fanden. Sie bewegten sich zögernd, beinahe vorsichtig, bis sich ihre Leidenschaft steigerte und ihre Bewegungen wilder, unkontrollierter wurden. Vibrationen verstärkten sich, überschwemmten sie, deckten alles andere zu, bis sie nur noch aus dieser unglaublich köstlichen Lust bestand, die er in ihr erzeugte. Sie hörte Jakob stöhnen, und gleichzeitig grub sie die Finger in sein Fleisch, als sich ihre Spannung in Wogen entlud. Sie schrie und merkte es nicht.
Tagebuch des Jakob Tiefenthaler, 4 .März 1553
Die Nacht auf Oculi anno 1553
O mein Herr Jesus, vergib mir. Mein Fleisch und mein Geist waren schwach und so hab ich mein Gelübde gebrochen. Eine solch theure Nacht war nie, und wenn ich alles dafür hingeben muss, so soll’s mir recht und billig sein. Lieber Herrgott, erschrickst du über deinen Diener? Meine Seligkeit, meine Ruhe ist fort, aber was ich erfahren hab, macht mich auf andre Weise reich. Item sie ist mein Weib,
Weitere Kostenlose Bücher