Die Markgräfin
und warten täglich auf deren Empfang. Sobald wir wieder besser hergestellt sind und der Winter es zulässt, ist unser Plan, gen Plassenberg zu reiten und die Urheber des schändlichen antichristlichen Verhängnisses zu strafen mit aller Macht. Inzwischen ist unser ernstlich Befehl, du mögest die Namen der Verschwörer in Erfahrung bringen und uns zu Schweinfurt zukommen lassen.
Der Fall Culmbachs betrübt uns gar sehr, wars doch eine schöne Stadt mit vielen fleißigen Menschen darin. Wir werdens wieder aufbauen, bald kommen bessre Zeithen. Ehrnfester Haubtmann und Freund, des weitern musst du wissen, dass deine sieben Fähnlein Landsknecht nur bis letzten Monat bezalt sind. Wenn sie anfangen zu stampfen und Gelt verlangen bevor wir nach Plassenberg gelangt sind, so sollstu derweiln das Tafelsilber einschmeltzen und vermüntzen lassen
und sie damit besolden. Halt uns unsre Festung unverbrüchlich gut wie bishero, so hilft uns Gott.
Gegeben an Thomae zu Schweinfurt,
Albrecht Alkibiades Markgraf zu
Brandenburg-Culmbach
Trockau und Wirsberg, Ende Februar 1554
Nach Sonnenuntergang begehrte ein Trupp Reiter mitten in einem wilden Schneegestöber Einlass am großen Tor des Herrensitzes von Trockau. Nachdem sie ein fürstliches Siegel vorweisen konnten, öffnete ihnen der Torwart. Nur zwei Stunden später waren die wenigen Verteidiger des Hauses tot, und die herrschaftliche Kemenate brannte. Aus dem größten Spitzbogenfenster baumelte im flackernden Feuerschein an einem Seil die Leiche des alten Ulrich Groß von Trockau. Die langen schlohweißen Haare wehten ihm ums Gesicht und färbten sich rot vom Blut, das aus seinen ausgestochenen Augenhöhlen quoll.
Die nächste Station des Reitertrupps war am folgenden Tag die kleine Burg Wirsberg. Auch hier ließ man die Mörder als vermeintliche fürstliche Boten ein. Die Besatzung wehrte sich erbittert; vier der Eindringlinge wurden getötet. Doch letztendlich
behielten die kampferprobten Angreifer die Oberhand. Dorfbewohner, die sich erst Stunden später in die Burg wagten, um nach dem Rechten zu sehen, fanden Wolf von Wirsberg ertrunken und mit abgeschnittenem Gemächt in einer Zisterne. Die entstellte Leiche seines Sohnes Christoph hing angenagelt am Tor zum Bergfried; unter seinem aufgeschlitzten Leib lag ein Haufen stinkender Gedärme. In die offene Bauchhöhle hatten seine Mörder sein neugeborenes Söhnchen gestopft, dem sie vorher den Schädel eingeschlagen hatten. Einzige Überlebende des Gemetzels war die wahnsinnig gewordene Mutter dieses Kindes, die mit starrem Blick und blutüberströmter Brust im großen Kamin der Hofstube kauerte und mit Gewalt hervorgeholt werden musste. Sie konnte niemandem sagen, welche Teufel so entsetzlich gewütet hatten. Man hatte ihr die Zunge herausgeschnitten.
Der mörderische Reitertrupp hielt derweil auf Kulmbach zu.
Bayreuth, Anfang Dezember 2002
Ulrich Götz saß ungeduldig im Wartezimmer und blätterte in einer Frauenzeitschrift. Schon in aller Frühe hatte er den Zug nach Bayreuth bestiegen, um dort zum Zahnarzt zu gehen – seit zwei Tagen
plagte ihn ein ziehender Schmerz in seinem letzten verbliebenen Weisheitszahn. Nachdem er in einer Anwandlung von Heldenmut eine schmerzstillende Spritze abgelehnt hatte, ertrug er tapfer und stoisch die Behandlung. Denn er hatte an diesem Tag noch etwas vor, bei dem er alle sechs Sinne beieinander haben wollte.
Nach Erhalt seiner Füllung machte sich Götz zu Fuß auf den Weg zum Geschwister-Scholl-Platz, um in der dortigen Institutsbibliothek für bayerische Landesgeschichte in Erfahrung zu bringen, wer nun diese Herzogin Barbara von Groß-Glogau und Crossen war. Gott sei Dank schien die Sonne, und es war nicht allzu kalt. Unterwegs erstand er zwei Butterbrezeln, die er – die neue Füllung schonend – vorsichtig nur auf einer Backe kaute.
Gegen halb zwölf betrat er das Gebäude der geisteswissenschaftlichen Fakultät, eine ehemalige Schule. Im zweiten Stock des Seitenflügels befand sich die Geschichtsbibliothek. Götz kannte sich gut aus; bei seinen Forschungen musste er mindestens zwei-, dreimal im Jahr hier Bücher holen oder in der Präsenzbibliothek Einsicht nehmen. Er hängte seinen Wintermantel in die Garderobe, sperrte seine Aktentasche ins Schließfach Nummer 12 und nahm nur sein Schreibzeug mit hinein.
Drinnen an der Ausleihe saß eine weibliche studentische Hilfskraft und guckte Götz komisch an.
Der sah mit seiner Trachtenjoppe, dem Strickwestchen und der
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