Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
Vom Netzwerk:
ergriffen; jetzt blieb nur noch abzuwarten. Militärisch war die Burg nicht zu nehmen, davon war er überzeugt. Nur monatelanges Aushungern konnte zur Übergabe führen, und er hoffte, dass der Markgraf vorher für Entsatz sorgen oder notfalls einen Friedensschluss erwirken konnte. Der Hauptmann war müde, und das Nachtessen,
eine Schüssel Mus aus dicken weißen Bohnen mit Brot und Räucherfleisch, lag ihm wie ein Stein im Magen. In letzter Zeit schlief er immer schlechter, tiefe Ringe zeichneten sich unter seinen Augen ab. Er schob den Pergamentband von sich, schloss den Deckel des Tintenglases und blies die Kerze im Röhrenleuchter aus. Dann verließ er die Schreibstube.
    Die Tür zu den neuen Markgrafengemächern, wo er sich befehlsgemäß zu Weihnachten einquartiert hatte, war nur angelehnt, und aus dem Spalt drang der rötliche Lichtschein eines Feuers. Der Hauptmann fluchte leise. Wegen des Holzmangels hatte er angeordnet, abends seinen Kamin nicht mehr zu schüren. Wenn ihm allzu kalt wurde, ließ er sich vor dem Schlafengehen aus der Küche lieber eine heiße Bettpfanne bringen. Aber offenbar nahm der alte Balthasar, sein Leibdiener, seine Anweisungen nicht ernst. Georg trat ein und schloss die Tür hinter sich. Er warf seinen Umhang über die nächste Truhe und drehte sich zum Feuer um. Sein Herzschlag setzte kurz aus. Vor dem Kamin stand ein gepolsterter Sessel, und in dem Sessel hockte breitbeinig und mit einem Becher in der Hand Albrecht Alkibiades.
    »Ich hab mich derweil von deinem Wein bedient, Georg. Wird auch Zeit, dass du kommst.«
    Leuchtenberg war, als sähe er ein Gespenst. Er machte ein paar unsichere Schritte auf den Markgrafen zu.
    »Mein Gott, Albrecht, bist du’s? Wie kommst du auf die Burg?«
    Albrecht grinste, und sein langer roter Bart leuchtete im Schein des Feuers, was ihn noch blasser wirken ließ, als er ohnehin schon war. Seine dunklen Augen funkelten wie schwarze Kohlestücke in dem fahlen Gesicht. Er wies auf einen Scherenstuhl schräg neben sich.
    »Setz dich her, mein Hauptmann, damit du nicht noch vor Schreck umfällst. Jetzt kannst du dir wohl denken, warum ich dich in die Markgrafenzimmer beordert hab. Schau, die Wandtäfelung dort – dahinter verbirgt sich die Öffnung zu einem heimlichen Gang, den ich beim Neubau dieses Schlossflügels hab anlegen lassen. Heut hab ich ihn zum ersten Mal benutzt, und abrakadabra, hier bin ich!« Er kicherte leise.
    Georg ließ sich auf dem Hocker nieder und schüttelte immer noch ungläubig den Kopf. Albrecht hatte sich auf den ersten Blick kaum verändert in den Jahren, die vergangen waren. Nur schmaler war er geworden, richtiggehend dürr, und sein Bart war lang bis zur Brustmitte gewachsen.
    »Bist ja schon wieder ganz gut zu Fuß«, meinte der Markgraf und deutete auf das Holzbein, das Leuchtenberg im Sitzen schräg von sich streckte. »Und zugesetzt hast du auch um die Hüften. Die Plassenburg scheint dir gut zu bekommen.«
    »In letzter Zeit wohl weniger, Albrecht. Es wird langsam ernst mit der Belagerung. Bringst du Entsatz mit?«
    Albrecht schnaubte verächtlich. »Was glaubst du denn, woher ich den nehmen soll? Der Karren ist im Dreck, mein Lieber, hier wie anderswo. Ich hab im eigenen Land nur noch drei feste Plätze: die Plassenburg, den Rauen Kulm und Schweinfurt. Der größte Teil meiner Söldner steckt in Schweinfurt fest, das müssen wir als Erstes freimachen, bevor ihr hier drankommt. Nein, Georg, ich bin nur hergekommen, um gegen die teuflische Verschwörung vorzugehen, die mich an Leib und Leben bedroht.«
    »Ich dachte, du seist krank. Du hast mir von lahmen Beinen geschrieben … «
    »Ja, diese Höllenbrut hat mir eine unheimliche Krankheit angehext, das stimmt. Ich hab mich oft tagelang kaum bewegen können, alles war taub. Manchmal bin ich vor Todesangst fast verrückt geworden. Aber jetzt besitz ich ein wunderbares Heilmittel. Schau!«
    Er nestelte eine Kette los, die er um den Hals getragen hatte. Daran hing eine kleine silberne Kapsel, die er mit einigen Umdrehungen aufschraubte. Den Inhalt schüttete er vorsichtig auf seine Hand und hielt sie Georg hin. In der Handfläche lag ein kleines, schrumpeliges Fetzchen, hart, schwarzbraun und faltig wie altes Leder. Georg runzelte die Stirn und
sah den Markgrafen fragend an. Der hatte leuchtende Augen bekommen.
    »Ein Stück von der Vorhaut Christi, Georg, das ist meine Rettung gewesen.«
    »Eine Reliquie?«
    »Ich hab sie von einem Kölner Reliquienhändler gekauft und

Weitere Kostenlose Bücher