Die Markgräfin
über diese Herzogin Barbara von Groß-Glogau und Crossen zu bitten.
Plassenburg, Ende Februar 1554
Die Belagerung dauerte nun schon fast drei Monate, ohne dass Entsatz durch den Markgrafen in Sicht gekommen wäre. Kritisch war es für die Eingeschlossenen bisher nicht geworden, obwohl es den Bundesständischen inzwischen gelungen war, die Wasserleitung abzugraben, die der Festung über den Buchberg Frischwasser aus den Zettmeiseler Quellen zuführte. Nach anfänglicher Panik hatte man festgestellt, dass das Wasser aus dem Tiefen Brunnen, dessen Schacht bis auf Mainhöhe abgetäuft war, gut ausreichte, um Mensch und Tier auf der Burg zu versorgen. Außerdem war es den feindlichen Truppen
nicht geglückt, die Burg hermetisch abzuriegeln, sodass die Landsknechtsweiber notfalls auch aus dem Main bei der Steinernen Brücke Wasser holen konnten. Größere Lebensmittellieferungen kamen zwar nicht mehr durch, aber es herrschte immer noch reger Botenverkehr, und Plassenburger Einheiten hielten Stellungen im abgebrannten Kulmbach, im Hofgarten und in der Grünwehr, wo man sich regelmäßig kleinere Gefechte mit dem Feind lieferte. Überhaupt hatte ein Großteil der bisherigen Kampfhandlungen aus begrenzten Scharmützeln bestanden, die für beide Seiten nur geringe Verluste brachten.
Die Burg selber hatte noch keinen wirklichen Schaden erlitten. Man hatte sich gut gewappnet: Die Geschütze waren alle in strategisch günstiger Position aufgestellt, Munition und Schießpulver im Zeughaus so gelagert, dass sie von keinem Treffer erreicht werden konnten. Auf die Dächer, die besonders exponiert zur Buchberg- und Rehbergseite hin lagen, hatte man nasse Kuhhäute geworfen, die zusätzlich noch mit Dung beschmiert waren und durch tägliche Wassergüsse feucht gehalten wurden. So schützte man die hölzernen Dachstühle vor Brandgeschossen. Überall standen gefüllte Zisternen mit ganzen Batterien von Ledereimern, Feuerhaken und -patschen, um Brandherde sofort löschen zu können. Die Burgbewohner fühlten sich noch recht sicher, und die Landsknechte hatten ihren bekannt grimmigen Humor noch nicht
verloren. Sie spielten regelmäßig demonstrativ sorglos Ball auf den Mainwiesen, um den Gegner zu provozieren. An Fasching hatte sich gar ein ganzer Haufen von ihnen Mut angetrunken, weiße Kirchenroben übergeworfen und mit Kuhglocken bewaffnet den Feind zum »Mummenschanz« vor die Kulmbacher Vorstadt geladen – der »Spaß« endete mit vier Toten und zwanzig Verwundeten.
Und dennoch – täglich forderte der Beschuss der Burg einzelne Opfer, auch unter den Zivilisten. Für die Verletzten, denen man im Hochschloss eine Krankenstation eingerichtet hatte, bestand kaum eine Überlebenschance; die Gräber im Hofgarten begannen sich zu mehren.
An die zweitausend Menschen, darunter Frauen und Kinder, Alte und Verwundete hausten in Hütten und Bretterverschlägen auf engstem Raum, Vieh, Kleingetier und Geflügel wimmelte dazwischen. Der Gestank aus den Kloaken war erbärmlich. Erste Fälle von Darmerkrankungen waren schon aufgetreten, und nur die große Kälte verhinderte das Umsichgreifen von ansteckenden Krankheiten. Der Mangel an Feuerholz – bisher das Einzige, was auf der Burg knapp geworden war – ließ kein wärmendes Feuer zu, und so fror man notgedrungen. Langsam begann sich auch der Hunger einzustellen, denn die Vorräte mussten angesichts der Dauer der Belagerung und
des Hinzukommens der Kulmbacher Flüchtlinge gestreckt werden. Schon seit Mitte Februar war die tägliche Ration aus Trockenfrüchten wie Erbsen und Linsen, eingesalzenem Fleisch oder hartem Käse und Brot um ein Drittel gekürzt worden. Der Wein wurde ebenfalls rationiert; jeder Mann erhielt nur noch einen statt der bisherigen zwei Liter. Dies hatte zur ersten Verstimmung unter den Landsknechten geführt – Wein bedeutete für sie ein wichtiges Stimulans und war Teil ihrer Bezahlung; ohne Alkohol war schlecht kämpfen. Doch nachdem der Hauptmann auf dem Gebirg ihnen den rückständigen Sold bezahlt hatte – in Silbergulden, die der Münzmeister in der Plassenburger Schmiede aus dem zollerischen Tafelschatz geprägt hatte, der bisher im Gewölbe gelagert hatte –, waren sie wieder guter Dinge und schworen, die Burg bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen.
Georg von Leuchtenberg ließ die Feder sinken. Seit Beginn der Belagerung führte er jeden Abend Buch, um den Überblick nicht zu verlieren. Er hatte alle zur Verteidigung notwendigen Maßnahmen
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