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Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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bitten dich, wende ab zukünftiges Unglück von deiner Stadt Kulmbach und allen ihren Bewohnern, auf dass sie dich preisen und dir danken in Ewigkeit. Amen.«
    »Amen.«
     
    Damit war der ernste Teil des Abends glücklich erledigt.
    »Auf die ›Forschenden Sechs‹!« Der Kastellan hob sein Glas. Fleischmann blinzelte gerührt und errötete vor Freude. Er fasste unter dem Tisch nach Gelis Hand und küsste sie mit gespitzten Lippen auf den Hals.
    »Auf uns!«, entgegnete Kellermann mit Pathos in
der Stimme. »Mögen noch viele Abende wie dieser vor uns liegen.«
    »Gibt’s denn inzwischen was Neues in puncto ›totes Kind‹?« Fleischmann lehnte sich zurück und tupfte sich mit seiner Blümchenserviette den Wein aus dem Schnurrbart.
    Alle bis auf Kleinert schüttelten den Kopf. Der Archivar schob sein Glas in Richtung Tischmitte. Dann begann er zu erzählen.
    »Also, rein aus Zufall habe ich etwas wirklich Interessantes herausgefunden. Es geht um diese Elisabeth Buckler – erinnert ihr euch? –, die der Kirche im Jahr 1570 den kleinen Pokal geschenkt hat. Ihr wisst schon, den mit dem Initial und der Inschrift ›Barbara Herzogin von Groß-Glogau‹ und so weiter.«
    Haubold stand auf und machte sich am Kühlschrank zu schaffen. »Lasst euch nicht stören«, meinte er, »ich hole nur den Käse.«
    Kleinert sprach weiter. »Passt auf, jetzt kommt’s: Ich habe den Namen der Frau im Kulmbacher Ordre-Buch für Scharfrichter wieder gefunden. Sie wurde darin als Hexe bezeichnet. Zwecks Ablegung eines Geständnisses wurde sie vom Kulmbacher Henker gefoltert.«
    »Gute Güte!« Götz machte ein angewidertes Gesicht und schüttelte den Kopf. »Das wird ja immer dramatischer.«
    »Lasst mich nur weitererzählen. Offenbar hat die
alte Bucklerin der Folter widerstanden; jedenfalls findet sich ihre Urfehde ebenfalls bei mir im Archiv. Das heißt, sie wurde wieder aus dem Gefängnis entlassen.«
    »Darf ich mal gerade?« Haubold stellte die Käseplatte auf den Tisch und verteilte die Teller, während der Archivar fortfuhr.
    »Also, um es kurz zu machen: Ihr wisst vielleicht auch, dass in der Regierungszeit des damaligen Markgrafen Georg Friedrich, des Nachfolgers von Albrecht Alkibiades, etliche Hexenprozesse gelaufen sind, vor allem im Ansbacher Land in den fünfzehnhundertneunziger Jahren. Damals gab Georg Friedrich in Auftrag, sämtliche Fälle von Hexerei zusammenzutragen, die bis dahin in seinem Territorium vorgekommen waren. Er wollte offenbar Präzedenzfälle sammeln, um eine stimmige Verfahrensweise in den Prozessen vorgeben zu können. Diese ausführlichen Fallstudien liegen im Nürnberger Staatsarchiv. Ich habe also meinen Kumpel Herbert Pfister angerufen – wir waren zusammen in der Archivschule – und ihn gebeten nachzuschauen, ob unter diesen Fällen auch unsere Elisabeth Buckler ist. Und tatsächlich hat er sie gefunden.«
    Kleinert räusperte sich und spann den Faden weiter. »Folgendes hat sich danach eruieren lassen: Im Jahr 1570 ist das neugeborene Kind eines Kulmbacher Ratsherrn bald nach der Geburt krank geworden und
gestorben. Offenbar waren ähnliche Fälle in der Zeit vorher schon mehrfach aufgetreten. Jetzt beschuldigte man eine alte Frau namens Elisabeth Buckler, die dem Kind als Hebamme auf die Welt geholfen hatte, den Säugling verhext zu haben. Angeblich hätte sie ihm sofort nach der Geburt heimlich eine Hexensalbe auf den Kopf geschmiert, was nach gängigem Aberglauben unweigerlich zum Tod führen musste. Andere Beschuldigungen der Hexerei kamen dazu – Schadenszauber am Vieh, Geschosszauber an einem der Stadtbüttel und so weiter – und die Alte wurde verhaftet. Bei ihrer Befragung durch den Stadtrichter und zwei abgeordnete Räte stritt sie alle Vorwürfe ab, sodass ein ›peinliches Angreifen‹ angesetzt wurde. Auch da hat die Frau nicht gestanden, obwohl laut Kopialbuch sowohl Beinschrauben als auch das Aufziehen angewendet wurden. Die Stimmung in Kulmbach war ziemlich aufgeheizt, und man verlangte, die Alte wegen ›Druderei‹ hinzurichten. Der damalige Superintendent und Pfarrer der Petrikirche, Georg Thiel, der anscheinend ein äußerst vernünftiger Mann und sehr angesehen war, hat sich daraufhin von der Kanzel aus für die Frau verwendet und dafür gesorgt, dass es nicht zu weiteren Folterungen kam. Als die Sachlage sich nach einiger Zeit entspannte, ließ man die Alte, der man schließlich nichts hatte nachweisen können, wieder frei. Sie leistete Urfehde und verließ die Stadt;

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