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Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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durch die Oberpfalz. Im Gegensatz zum höher gelegenen Kulmbacher Land waren die Hügel hier lieblicher, die Täler weiter, und der Schnee war völlig weggetaut. Ein warmer, föhniger Wind trieb dunkel aufgetürmte Wolken vor sich her, aus denen hin und wieder ein Regenguss auf die Felder herunterprasselte. Der Kastellan hatte das Radio an und hörte im Landfunk einen Beitrag über zeitgemäße Besamungstechniken bei Kühen und anderen Paarhufern. Endlich tauchte links vor ihm die Ruine der Burg Leuchtenberg auf, romantisch auf einem Hügel gelegen. Einer von diesen typischen kleinen Rittersitzen, von denen es Hunderte gibt, dachte Haubold. Bergfried, Pallas, Mauer, Graben, Zugbrücke. Gute Verteidigungsposition durch Spornlage. Na, viel ist davon ja nicht mehr übrig. Er bog in eine asphaltierte einspurige Nebenstraße
ein, die an einem Wäldchen entlangführte. Nach zwei Kilometern stand er vor dem Gehöft, das er gesucht hatte. Es war das ehemalige Wirtschaftsgut der Burg, ein imposantes, aus Naturstein gemauertes Haus mit einem neu angebauten moderneren Wohnbau mit Fachwerkkonstruktion. Daneben im rechten Winkel eine ebenfalls neue Scheune, gegenüber ein Schuppen und umfangreiche Stallungen. Auf der nahe gelegenen Koppel trabten einige Pferde, und vor dem Stall wuselte ein ganzes Rudel rotbunter Katzen, das davonstob, als sich Haubolds Auto näherte.
    Der Kastellan stieg aus und stapfte durch den aufgeweichten Boden zur Haustür, einem doppelflügeligen Eingangstor aus abgebeizter Kiefer. Rechts daneben hing ein altertümlicher Glockenzug, an dem er zunächst zaghaft, dann energischer bimmelte.
    Ein Mann undefinierbaren Alters öffnete. Mittelgroß und gut aussehend, mit grau melierten, halblangen Haaren, die er hinter die Ohren zurückgekämmt hatte. Die Lippen über dem markanten Kinn verzogen sich zu einem breiten, freundlichen Lächeln.
    »Sie müssen Herr Haubold sein, oder irre ich mich?«
    Haubold nahm die dargebotene Hand und schüttelte sie nach Kräften. »Wir haben gestern telefoniert. Herr Graf von Leuchtenberg, gell?«
    Der Schönling, der mit seinen karierten Leinenhosen,
der dunkelblauen Strickweste und dem hellen Halstuch aussah wie ein alt gewordener James Bond im Landhausstil, winkte ab. »Lassen Sie den Titel ruhig weg, mein Lieber, das ist heutzutage doch unerheblich. Darf ich Sie ins Wohnzimmer bitten?«
    Der Kastellan folgte dem Hausherrn in einen gemütlichen, holzgetäfelten Raum, in dem ein Kachelofen wohlige Wärme verbreitete. Auf einem flauschigen Perserteppich standen diverse Ledermöbel, dazwischen ein Servierwagen mit etlichen Karaffen und Gläsern. Eine Wand wurde völlig von einem riesigen antiken Schrank eingenommen. Der Graf nahm Platz unter einem ausladenden Hirschgeweih und bot Haubold den Sessel gegenüber an.
    »Sie haben angekündigt, dass es um eine Sache geht, die einen meiner Vorfahren betrifft. Also, was kann ich für Sie tun?«
    Haubold erzählte die Geschichte von Anfang an – wie er im Geheimgang der Plassenburg die skelettierte Leiche gefunden hatte, dann die Expertise zu dem Ring, den der Tote getragen hatte, und seine Mutmaßung, es könne sich um den Georg von Leuchtenberg handeln, der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts Hauptmann auf dem Gebirg gewesen war. Der Graf und Bio-Bauer hörte aufmerksam zu.
    »Äußerst interessant ist das. Einen Cognac?« Ohne auf Antwort zu warten, goss er Haubold einen Schwenker bernsteinfarbene Flüssigkeit ein. »Natürlich
ist mir die Familiengeschichte geläufig, und ich weiß auch, dass ein Leuchtenberg damals oberster Verwaltungsbeamter auf der Plassenburg war. Aber einbeinig? Da muss ich in der Familienchronik nachlesen.«
    Der Kastellan nippte am Cognac. »Haben Sie die Chronik denn zur Hand?«
    »Aber ja!« Gottfried von Leuchtenberg klatschte in die Hände, worauf sich ein riesiger hellbrauner Labrador-Schäferhund-Mischling hinter dem Sofa erhob und erwartungsvoll wuffte. Leuchtenberg schnippte, und der Hund trottete zu ihm hin. »Ich bin gleich wieder da, kleinen Moment. Komm, Geronimo.«
    Noch während Haubold sich überlegte, dass er schon wesentlich hässlichere, ärmere und Lifestylelosere Bio-Bauern kennen gelernt hatte, erschien der Hausherr wieder mit einem rot eingebundenen Buch unter dem Arm.
    »Das hier«, er klopfte auf das Bändchen, »ist das Werk eines meiner Uronkel, Philipp Sebastian von Leuchtenberg. Er war sozusagen der Familienhistoriker und hat in diesem Buch alles zusammengetragen, was an

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