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Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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schreckliche Not war zu Ende, und sie hatten überlebt, das war das Wichtigste. Die Landsknechte und ihre Familien rafften die wenigen Habseligkeiten zusammen, die ihnen gehörten, packten Bündel und Säcke voll Kram und versteckten ihren in den langen Monaten der Belagerung gesparten Sold in Säckchen oder Münzgürteln direkt am Körper. Die
Kranken und Verwundeten wurden auf Wagen oder Tragbahren geladen, die Waffen im Vorhof zu Haufen geworfen. Kaum zwei Stunden später verließen die ersten Grüppchen das Schloss durch das Äußere Tor.
    Georg von Leuchtenberg stakte, nachdem er seine Rede vor der Burgbesatzung zu Ende gebracht hatte, eilig in die Markgrafengemächer zurück. Ehrenmann hin oder her – er hatte nicht die Absicht, sich freiwillig in die Hände des Plaueners zu begeben. Wie mit Albrecht verabredet, wollte er sich bis nach Frankreich durchschlagen, um am Hof des französischen Königs wieder mit dem Markgrafen zusammenzutreffen. Er hoffte und bangte, dass Albrecht inzwischen weit genug gekommen war und dass ihm unerkannt die Flucht nach Westen glückte. Sorgfältig verschnürte der Hauptmann ein Bündel, in dem ein paar Brote, ein Stück Speck, zwei dicke Kerzen, Zündzeug und eine Feldflasche mit Wasser waren, und befestigte daran Lederschlaufen, damit er es auf dem Rücken tragen konnte. In die Innentasche seines Mantels steckte er ein Säckchen mit Silbergulden. Es sollte ihn in die Lage versetzen, bei einem der nächstgelegenen Gehöfte ein Pferd und Vorräte zu kaufen. Nachdem er den Rucksack geschultert hatte, nahm er eine seiner Krücken in die linke Hand und den bereits brennenden Röhrenleuchter in die rechte. Dann zwängte er sich durch die Öffnung in der Paneelwand.
    Drinnen im Gang roch es modrig. Leuchtenberg
stellte den Leuchter ab, lehnte den Stock an die Wand und versuchte, von innen die Holztür zu schließen. Aber das Scharnier klemmte offenbar noch immer. Der Hauptmann mühte sich einige Minuten vergeblich und gab dann auf. Langsam und vorsichtig stieg er Stufe um Stufe hinab. Der Stein war feucht und glitschig, und er musste sein Holzbein jedes Mal ganz behutsam aufsetzen, um nicht wegzurutschen. Er stützte sich gleichzeitig mit der Krücke ab, was ihm half, einigermaßen die Balance zu halten. Trotzdem wäre er nach den ersten paar Metern beinahe gestürzt; es gelang ihm gerade noch zu vermeiden, dass der Röhrenleuchter hinfiel und zerbrach. Schwer atmend blieb er stehen und rückte seinen Rucksack wieder zurecht. Dann machte er sich noch langsamer und konzentrierter als zuvor an den Abstieg.
    Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, bis er die Stelle erreicht hatte, wo der heimliche Gang sich gabelte. Der Tunnel, so hatte es Albrecht erklärt, führte nach Kulmbach und hatte einen gemauerten Nebenraum, in dem sich etliche Männer eine Zeit lang aufhalten konnten. Hier hatten die Begleiter des Markgrafen die letzte Nacht verbracht und auf die Rückkehr ihres Herrn gewartet. Die rechte Abzweigung führte weiter vor die Stadt hinaus und endete irgendwo am Main an einer geschützten Stelle. Dort, so wusste der Hauptmann, lag ein Boot, das ihn auf die andere Flussseite bringen würde.
    Georg von Leuchtenberg entschloss sich, den kürzeren Weg nach Kulmbach zu nehmen. Er rechnete damit, dass spätestens am Mittag, wenn die Burg zur Plünderung freigegeben war, die kleine Söldnertruppe, die vor der Stadt lagerte, zum Schloss hinaufstürmen würde. Schließlich war das Recht auf Plünderung im Vertrag eines jeden Landsknechts fixiert und stellte einen Teil des regulären Kriegslohnes dar. Das würde sich keiner entgehen lassen. Und dann, so schloss der Hauptmann, würde es nicht allzu schwer sein, sich eines der überzähligen Pferde der Bundesständischen zu schnappen, die auf einer Koppel am Tränkmain gehalten wurden. Bis der Diebstahl bemerkt wurde, konnte er schon über alle Berge sein.
    Leuchtenberg wandte sich also nach rechts. Er erreichte den schmalen Durchschlupf in den Nebenraum und spähte hinein. Drinnen lagen ein paar Decken und Essensreste herum. Der Hauptmann beschloss, sich hier eine Weile auszuruhen, bis die Mittagszeit heranrückte. Er stellte den Leuchter in die Mitte des Raumes, warf Krücke und Rucksack hin und sammelte die Decken auf. Als er die letzte hochhob, fiel daraus eine große volle Feldflasche klappernd zu Boden. Das blecherne Gefäß war offensichtlich vergessen worden, als sich Albrechts Männer wieder davongemacht hatten. Leuchtenberg ließ sich auf

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