Die Markgräfin
der alten Martsch, die die ganze Zeit nicht von ihrer Seite gewichen war. Georg zuckte mit den Schultern und wandte sich verärgert zum Gehen.
»Auch meine Geduld ist begrenzt, Schwester. Ich versteh dich nicht. Dein Dickkopf bringt dich in Teufels Küche. Sieh zu, wo du bleibst.«
Barbara überlegte hastig. War es richtig gewesen, jetzt eine Entscheidung zu erzwingen? Aber sie hatte keine andere Wahl gehabt. Hätte der Heilige Stuhl nicht zuvor den Rat ihrer Brüder eingeholt, wäre nach Erhalt der Dispens eine Hochzeit in aller Heimlichkeit möglich gewesen. Keiner hätte danach mehr ein Recht gehabt, sie aufzuhalten. Jetzt lagen die Dinge anders, und an eine unentdeckte Heirat war nicht mehr zu denken.
Was sie tun konnte, war nicht viel. Auf jeden Fall musste sie ihren zukünftigen Ehemann, den von Heideck, schützen, indem sie seinen Namen auf keinen Fall preisgab. Dann konnte sie versuchen, Nachricht an den von Eyb zu senden, um die oberländischen Landstände zu mobilisieren, die sicherlich großes
Interesse daran hatten, dass das böhmische Geld floss. Außerdem konnte sie noch an Verwandte um Beistand schreiben, vielleicht auch noch den Abt von Heilsbronn um günstige Einflussnahme bitten. Der Abt hatte sie aus der Taufe gehoben und immer regen Anteil an allem genommen, was Barbara betraf. Jedenfalls musste alles sehr schnell gehen, bevor ihre Brüder Maßnahmen ergriffen und es ihr unmöglich wurde, Nachrichten aus dem Schloss zu bringen.
»Bring mir Schreibzeug, schnell!«, wandte sie sich an die Martsch.
Barbara, Markgräfin von Brandenburg, Herzogin von
Groß-Glogau und Crossen und Königin von Böhmen,
an den gned. Herrn von Eyb zu Nürnberg, in Eile
Alles ist entdeckt. Meinen Brüdern steht der Sinn, die Dispens anzufechten. Die dritte Heirat wird mir verweigert. Allein die Landstände könnten noch helfen, das Blatt zu wenden. Ich bitt Euch, wirkt auf dieselben ein: Wenn sie die fünfundzwanzigtausend böhmischen Gulden im Land haben wollen, so mögen sie meine Brüder vom guten Handel überzeugen. Eilt, lieber Eyb. Wir und der König von Böhmen werden uns erkenntlich zeigen, so alles gut geht. Und warnt unseren gemeinsamen Freund, sich ruhig zu halten. Dann ist noch nichts verloren. Barbara.
Von diesem Tag an war eine Wache vor dem Frauenzimmer postiert. Die Martsch, die aus Küche und Keller das Essen holen durfte, schmuggelte die Nachricht an den von Eyb unter ihren Röcken nach draußen. Eine Aufspülerin nahm das Schreiben – wie die anderen Briefe davor – abends mit in die Stadt, von wo es ein Bote nach Nürnberg beförderte. Die beiden hatten bisher schon ein gut Teil der zehn Silbergulden kassiert, die Barbara für diese Zwecke erhalten hatte.
Auf dem gleichen Weg gingen drei weitere Briefe Barbaras nach draußen: einer an den Abt von Heilsbronn, einer an die Verwandtschaft in die Mark Brandenburg und ein dritter an Wladislaus Jagiello von Böhmen. Alle enthielten die verzweifelte Bitte um Hilfe.
Heilsbronn, Oktober 1542
Abt Sebald von Heilsbronn erhob sich, wie es seiner Gewohnheit entsprach, erst spät von seinem Arbeitstisch. Die Mönche hatten ihr Abendessen längst gemeinsam im Refektorium eingenommen, während sich der Abt noch mit den Fischrechnungen der klösterlichen Weiher und deren Bestückung mit Karpfen- und Weißfischsetzlingen für das folgende
Jahr beschäftigte. Jetzt wurde es langsam dunkel und das Lesen ohne Kerzenlicht fiel schwer.
Der Abt verließ seinen Schreibtisch und ging ins angrenzende Zimmer, wo bereits eine kleine Tafel für ihn hergerichtet war. Er war ein hagerer, hoch aufgeschossener Mann jenseits der siebzig, trotz seines Alters ein wacher Geist, tief religiös und manchmal stur wie ein Bock. Er rieb sich die gichtigen Finger, die vom Schreiben schmerzten, und griff dann nach dem winzigen Messingglöckchen auf dem Sims über der Truhe. Der leise Ton rief Bruder Irenäus herbei, der, dienstbeflissen wie immer, sogleich in der Dienerpforte auftauchte.
Sebald nickte ihm zu, um ihm zu bedeuten, dass man auftragen könne. Der Abt, der trotz einer tiefen Ehrfurcht vor der Askese kein Kostverächter war, freute sich auf sein Abendessen. Heute war Fischtag, und soviel er wusste, war ein Fässchen mit eingesalzenen Heringen angekommen, das den weiten Weg von der Ostsee bis hierher geschafft hatte. Seefisch war eine willkommene Abwechslung zum ansonsten recht eintönigen Klosteressen. In einem Milchsud mit Safran und Ingwer gesotten, passte der
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