Die Markgräfin
grinste. Er nahm seinem Bruder die Zinnstize aus der Hand und prostete ihm zu.
»Hat er sich verrechnet, der alte Fuchs.«
Die Kellerkammer, in die man den ehemaligen Ratsherrn gesperrt hatte, war finster und feucht. Durch ein kleines Loch ganz oben in der Ecke fiel das letzte Licht des Tages herein und verlor sich irgendwo im Raum. Ludwig von Eyb saß zusammengekauert auf einem Haufen Stroh, ein Bündel Angst. Die eine Seite seines Gesichts war blutunterlaufen – man hatte ihn in Nürnberg verprügelt und die Treppe hinuntergestoßen. Der Daumen seiner rechten Hand war blau und stark geschwollen und stand unnatürlich von der Hand ab. Er hielt den Arm abgewinkelt, um den verletzten Finger zu schützen. Hemd und Umhang waren schmutzbefleckt, ein Ärmel hing in Fetzen. Unterwegs hatte er einen Schuh verloren; der Strumpf war durchgescheuert, und lange Fransen umbaumelten seinen Knöchel. Die enge Samthose war am Gesäß aufgeplatzt.
Er musste eine ausgesprochen lächerliche Figur abgeben – er, das ehemalige Finanzgenie des alten Markgrafen, vor dem Kirche, Adel und Landstände gezittert hatten. Das Glück war wandelbar! Was sollte jetzt mit ihm werden? Seine Hände zitterten, er fror und hatte Hunger, und er war nicht fähig, einen klaren Gedanken zu fassen. In seinem Bauch rumorte es. Als er den Drang nicht länger bekämpfen konnte, ließ er in einer Ecke die Hosen herunter und entleerte sich. Der Gestank seiner Exkremente mischte sich unerträglich und ekelhaft säuerlich mit dem Geruch
von Moder und Schimmel. Trotzdem fühlte er sich besser und fiel in einen dumpfen Zustand zwischen Schlaf und Wachsein.
Ein greller Lichtstrahl traf ihn beinahe wie körperlicher Schmerz und riss ihn aus seinen Wachträumen. Jemand zerrte ihn unter den Armen hoch und stellte ihn taumelnd auf die Füße.
»Auf, Dicker, der Markgraf hat Sehnsucht nach dir!«
Er wurde gestoßen und vorwärts gedrängt, über Treppen und durch Gänge, während sich seine Augen langsam wieder ans Sehen gewöhnten.
Die hölzerne Doppeltür des Markgrafenzimmers sprang auf, und der schmutzstarrende, übel riechende Ludwig von Eyb fiel Albrecht direkt vor die Füße. Der ehemalige Rat rappelte sich hoch und kam neben dem Söldner zum Stehen, der ihn hergebracht hatte.
Georg sprang auf und hielt sich mit vorwurfsvollem Blick sein Fazenettlein vor die Nase. Albrecht stellte seinen Krug auf den Tisch und trat, nicht ohne die Nase zu rümpfen, auf den Ratsherrn zu.
»Was wart Ihr früher doch für ein reinlicher Mensch, Eyb. Ich bin entsetzt! Euer Aufzug – vordem hättet Ihr nicht gewagt, so vor Eurem Landesherrn zu erscheinen. Und alles nur, weil unsere Schwester mit Euch korrespondiert. Warum tut sie das wohl und zu welchem Zweck?«
Ludwig von Eyb machte einen vergeblichen Versuch, sich gerade zu halten. Mit der unverletzten Hand strich er seine wirren Haare zurecht. Er öffnete den Mund, um sich linkisch zu verteidigen.
»Ich weiß nicht, wie Eure Schwester dazu kommt, ausgerechnet mich zu inkriminieren, bin ich doch längst aus Euren Diensten ausgeschieden! Als freier Bürger – mit allem Recht, das damit verbunden ist – habe ich mich zu Nürnberg niedergelassen. Ich will niemandem übel, weder Euch noch Eurer Schwe … «
Noch bevor er zu Ende sprechen konnte, hatte Albrecht schon ausgeholt und ihn mit dem Handrücken ins Gesicht geschlagen. Der Ring, den der Markgraf trug, riss eine unschöne Schmarre, die sich von Eybs Backe bis zur Oberlippe zog und aus der dunkelrotes Blut tropfte. Der Söldner hielt die Arme des Ratsherrn fest und zwang ihn auf die Knie. Georg war bei dem Schlag seines Bruders sichtbar zusammengezuckt und stieß nun einen kleinen, wimmernden Laut aus. Mit angewidertem Gesichtsausdruck wandte er sich ab und sah aus dem Fenster.
Albrecht holte tief Luft und fuhr mit seinem Verhör fort.
»Verrat, Eyb. Ihr habt Verrat an Eurem Landesherrn begangen. Wisst Ihr, was darauf steht? Ich könnte Nachsicht walten und Euch am Leben lassen, allerdings nur, sofern Ihr geständig seid. In wessen
Auftrag steht Ihr, und wem hat sich meine Schwester anverlobt? Diese beiden Fragen sollt Ihr mir beantworten, Eyb, wenn Euch der heile Zustand Eures Körpers etwas wert ist. Und ich warte nicht lange.«
Der Ratsherr kniete wie betäubt, keines Wortes fähig. Die Angst saß auf ihm wie ein Alb und machte ihn stumm. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er den Markgrafen an, dessen Gesicht die Freundlichkeit selbst war. Lächelnd sah
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