Die Markgräfin
Hering vorzüglich zu dem süffigen dunklen Bier, das der alte Bruder Wendelin trotz seiner neunzig Jahre noch immer im Klosterkeller braute.
Der Abt setzte sich auf die kleine Holzbank, rieb die Füße aneinander und sprach ein Gebet. Noch bevor
er zu Ende war, eilten zwei Novizen herbei und stellten einen Krug Bier, eine Schüssel mit dem Fischgericht sowie ein Körbchen mit zwei Herrenbroten vor ihm ab. Der Alte zog sein Essmesser unter der Kutte hervor und begann zufrieden und mit Appetit, den Fisch zu zerteilen. Das Brot war allerdings vom Vortag – ein Glück, dass er noch fast alle Zähne hatte. Vergnüglich kauend bemerkte er endlich Bruder Irenäus, der sich unschlüssig vor der Dienerpforte herumdrückte.
»Deo gratias, lieber Bruder in Gott, dass du mich wieder einmal beim Abendmahl stören willst«, bemerkte der Abt und drehte scherzhaft die Augen zum Himmel, »es wird schon was Wichtiges sein.«
»Ein Schreiben, Vater, von der Markgräfin Barbara zu Neustadt. Ein reitender Bote hat es soeben von Nürnberg hergebracht.«
Mit einigem Erstaunen begann der Abt, das Siegel zu brechen. Er überlegte, wie lange es jetzt her war, dass er, damals noch Beichtvater der markgräflichen Familie zu Ansbach, die Markgräfin aus der Taufe gehoben hatte. Fünfundzwanzig Jahre, herrje, wie die Zeit verging. Aus der Ferne hatte er den Weg seines Täuflings mitverfolgt, ihren Weggang nach Glogau, ihre Rückkehr und den erneuten Verspruch. Die unselige Hochzeit per procurationem mit dem Böhmenkönig hatte er sogar selber zelebriert.
Seine schmalen Lippen formten lautlos Silben,
während er las. Schließlich schob er mit einem Laut des Widerwillens die Fischschüssel von sich weg und kratzte sich an der Tonsur.
»Da schmeckt einem ja das beste Essen nicht mehr«, brummte er.
Eine Dispens des Papstes zu erbitten, und noch dazu ohne Genehmigung der Brüder. So etwas war ja noch nie vorgekommen! Ein Teufelsmädel! Aus seinem kleinen Täufling war offensichtlich eine Frau mit eigenem Kopf geworden, wer hätte das gedacht? Der Abt schüttelte leicht amüsiert den Kopf und begann, im Zimmer umherzuwandern.
Eine Katastrophe, dass der alte Markgraf gestorben war. Was für ein Verlust! Und seine Söhne, die beiden Taugenichtse! Es hieß, besonders Georg sei durch seinen langen Aufenthalt am ungarischen Hof stark lutherisch beeinflusst. Und Albrecht, ob der überhaupt an etwas glaubte außer ans Geld? Als junger Spund war er oft mit seinem Jagdgefolge in Heilsbronn regelrecht eingefallen wie eine Räuberhorde, hatte frech die Lebensmittelvorräte verfressen und den Keller leer gesoffen. Man konnte nicht einmal protestieren, waren doch die Klöster verpflichtet, die markgräfliche Gesellschaft während der Jagd aufzunehmen und zu verpflegen. Der Abt wurde immer zorniger. Kein Respekt vor dem Klosterleben, keine Rücksichtnahme! Haderlumpen allesamt! Lutherisch der eine, gottlos der andere. Nicht in der Lage, ihrer Schwester
eine ordentliche Ehe zu schaffen, mit einem Haufen Kindern und einem christlichen Ehegatten. Dieser Jagiello, pah, aus heidnischer Familie, die irgendwann aus Gründen der Selbstsucht und Machtgier konvertiert war, das war kein Ehemann für eine fromme und gut zollerische Prinzessin. Die jetzt zu allem Überfluss auch noch drohte, sich etwas anzutun.
»Bevor ich zu Albrecht auf die Plassenburg geh, will ich mir lieber den Tod tun«
, hatte sie geschrieben. Auch das noch. Ihre Schwester in die Todsünde treiben, das sah den Markgrafen ähnlich. Nein, man musste das verhindern.
»Irenäus!«, schrie der Abt und drehte sich um, wobei er beinahe mit dem Mönch zusammengeprallt wäre, der die ganze Zeit wartend vor dem Fenster gestanden hatte.
»Ach so, du bist ja da. Richte alles her, dass wir übermorgen nach Ansbach aufbrechen können. Wollen doch mal sehen, ob sich die zwei Saububen von ihrem alten Beichtvater noch etwas sagen lassen. Richt dem Bruder Bernhard in der Küche aus, er soll mir nicht wieder so madigen Käse mitgeben wie beim letzten Mal. Und wir fahren nicht im Wagen, das geht mir zu langsam. Sorg im Stall dafür, dass meine Stute ab heute keinen Hafer mehr bekommt. Ich bin schließlich nicht mehr der Jüngste und brauch kein Ross mit Temperament.«
Am übernächsten Morgen nach der Frühsuppe brach der Abt mit seinem Begleiter bei strahlendem Sonnenschein nach Ansbach auf.
Ansbach, Oktober 1542
»Das bockige Weib macht mich wahnsinnig!«
Albrecht paradierte vor der Tür des heimlichen
Weitere Kostenlose Bücher