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Die Mars-Chroniken

Die Mars-Chroniken

Titel: Die Mars-Chroniken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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blickte zu der toten Stadt hinüber, die eine Meile von ihnen entfernt lag. »Wir sind alle müde«, sagte er leise, als hätte er seine ganze Aufmerksamkeit auf die Stadt konzentriert und dabei seine Männer vergessen. »Morgen abend vielleicht. Heute sollten wir uns freuen, daß wir die lange Reise durchs All ohne Meteoreinschlag oder Todesfall in der Mannschaft hinter uns gebracht haben.«
    Die Männer bewegten sich unruhig. Es waren insgesamt zwanzig, die dicht beieinander standen und ihre Waffen betasteten, die sie am Gürtel trugen. Spender beobachtete sie. Sie waren unzufrieden. Sie hatten für eine große Sache ihr Leben riskiert. Jetzt wollten sie sich betrinken und ihre Waffen abschießen, um sich zu beweisen, was für Kerle sie waren – Kerle, die ein Loch ins All gerissen und in einer Rakete den ganzen Weg zum Mars zurückgelegt harten.
    Doch niemand brüllte.
    Der Kapitän erteilte leise einen Befehl. Einer der Männer lief ins Schiff und holte Dosenrationen, die leise geöffnet und verteilt wurden. Nun begannen auch die ersten Gespräche. Der Kapitän setzte sich und schilderte den Männern noch einmal die Reise. Sie kannten zwar schon jede Einzelheit, aber es war gut, das alles noch einmal zu hören, etwas, das ein für allemal vorbei und abgetan war. Von der Rückreise wollte noch niemand sprechen; einer kam darauf, wurde jedoch schnell zum Schweigen gebracht. Die Löffel bewegten sich im Licht der beiden Monde; das Essen schmeckte gut und der Wein womöglich noch besser.
    Ein Feuerstrahl fuhr über den Himmel, und gleich darauf landete die Hilfsrakete auf der anderen Seite des Lagers. Spender beobachtete, wie sich die kleine Luke öffnete und Hathaway, der Arzt-Geologe – sämtliche Männer versahen Doppelfunktionen, um auf der Reise Platz zu sparen, – heraustrat. Er kam langsam auf den Kapitän zu.
    »Nun?« fragte Kapitän Wilder.
    Hathaways Blick schweifte zu den fernen Städten, die im Sternenlicht blinkten. Nachdem sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sagte er stockend. »Die Stadt dort drüben, Kapitän, ist tot – und zwar seit vielen tausend Jahren. Das gleiche gilt für die drei Städte in den Bergen. Die fünfte Stadt aber, Sir, zweihundert Meilen weiter…«
    »Was ist damit?«
    »Da haben noch letzte Woche Leute gelebt, Sir.«
    Spender stand auf.
    »Marsianer«, sagte Hathaway.
    »Wo sind sie jetzt?«
    »Tot«, sagte Hathaway. »Ich bin in ein Haus gegangen. Ich glaubte, es wäre seit Jahrhunderten tot und verlassen wie die anderen Städte und Häuser. Mein Gott, aber es waren Leichen darin. Wie ein Haufen Herbstlaub, wie Stöcke und Reste verbrannter Zeitungen, das ist alles. Und noch ganz frisch. Sie waren höchstens zehn Tage tot.«
    »Haben Sie auch in anderen Städten nachgeforscht? Haben Sie überhaupt etwas Lebendiges gesehen?«
    »Nichts. Ich habe mich in den anderen Städten umgesehen. Von fünf Städten sind vier seit vielen tausend Jahren leer. Was mit den ursprünglichen Einwohnern geschehen ist, weiß ich nicht. Aber in der fünften Stadt fanden wir überall das gleiche. Leichen, Tausende von Leichen.«
    »Woran sind sie gestorben?« Spender trat vor.
    »Sie werden es mir nicht glauben.«
    »Was hat sie umgebracht?«
    Hathaway sagte schlicht: »Die Windpocken.«
    »Um Gottes willen, nein!«
    »Ja. Ich habe Versuche gemacht. Zweifelsfrei Windpocken. Die haben den Marsianern etwas angetan, wogegen die Menschen auf der Erde immun sind. Ihr Metabolismus muß anders reagiert haben. Sie sind schwarz, ausgebrannt und zu zerbrechlichen Fladen vertrocknet. Trotzdem sind es die Windpocken. York oder Kapitän Williams oder Kapitän Black müssen also doch durchgekommen sein, zumindest eine der drei Expeditionen. Gott allein weiß, was aus ihnen geworden ist. Auf jeden Fall wissen wir, welche unbeabsichtigten Folgen ihr Besuch für die Marsianer gehabt hat.«
    »Und Sie haben nirgendwo Leben festgestellt?«
    »Es besteht die Möglichkeit, daß ein paar Marsianer in die Berge entkommen sind, wenn sie es rechtzeitig gemerkt haben. Aber ich möchte wetten, daß sie zahlenmäßig kein Problem für uns sind. Der Planet ist am Ende.«
    Spender wandte sich um, setzte sich ans Feuer und starrte in die Flammen. Windpocken. Himmel, Windpocken, stell dir vor! Eine Rasse entwickelt sich über einen Zeitraum von einer Million Jahren, bildet sich fort, baut Städte wie die dort drüben, tut alles, um in Selbstrespekt und Schönheit leben zu können, und dann stirbt sie. Ein Teil

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