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Die Mars-Chroniken

Die Mars-Chroniken

Titel: Die Mars-Chroniken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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seinen Arm. »Warum schreist du denn so?«
    »Ein kleiner Junge steht da im Hof und antwortet nicht«, sagte der alte Mann zitternd. »Er sieht wie Tom aus!«
    »Komm ins Bett, du träumst ja.«
    »Aber da ist er doch, schau doch hin.«
    Er öffnete die Tür noch weiter, damit auch sie hinaussehen konnte. Der kalte Wind blies herein, und der Regen rauschte zu Boden, und die Gestalt stand dort und schaute sie geistesabwesend an. Die alte Frau stützte sich am Türpfosten.
    »Verschwinde!« rief sie und schwenkte den Arm. »Verschwinde!«
    »Sieht er nicht aus wie Tom?« fragte der alte Mann heiser.
    Die Gestalt bewegte sich nicht.
    »Ich habe Angst«, sagte die alte Frau. »Komm, schließ die Tür ab und komm zu Bett. Ich will nichts damit zu schaffen haben.«
    Vor sich hin klagend verschwand sie im Schlafzimmer.
    Der alte Mann blieb stehen, und der Wind regnete ihm kalt auf die Hände.
    »Tom«, rief er leise, »wenn du das bist, wenn du durch irgendeine Fügung zurückgekommen bist… ich schließe die Tür nicht ab. Und wenn dir kalt ist und du dich wärmen möchtest, brauchst du nur hereinzukommen und dich an den Herd zu legen; da haben wir ein paar Felle.«
    Er machte die Tür zu, schloß aber nicht ab.
    Seine Frau spürte, wie er zu Bett kam, und erschauderte. »Eine schreckliche Nacht. Mir ist so kalt«, sagte sie schluchzend.
    »Schsch«, beruhigte er sie und umfing sie mit den Armen. »Schlaf weiter.«
    Nach langer Zeit schlief sie ein.
    Und als er dann lauschte, hörte er, wie sich ganz leise die Tür öffnete, wie Regen und Wind hereinpeitschten und die Tür wieder geschlossen wurde. Er hörte leise Schritte und leises Atmen. »Tom«, sagte er lautlos vor sich hin.
    Blitze zuckten auf und zerfetzten die Dunkelheit.
     
    Am Morgen brannte heiß die Sonne herab.
    Mr. LaFarge öffnete die Tür zum Wohnzimmer und sah sich hastig um.
    Auf den Fellen am Herd lag niemand.
    LaFarge seufzte. »Ich werde alt«, murmelte er.
    Er verließ das Haus und wollte zum Kanal gehen, um einen Eimer klares Wasser zum Waschen zu holen. In der Tür hätte er fast den Jungen umgerannt, der bereits einen randvoll gefüllten Eimer herbeischleppte. »Guten Morgen, Vater!«
    »Morgen, Tom.« Der alte Mann taumelte zur Seite. Der barfüßige Junge eilte durch den Raum, stellte den Eimer ab und wandte sich lächelnd um. »Ein schöner Tag heute!«
    »Ja«, sagte der alte Mann ungläubig. Der Junge tat völlig unbefangen und begann sich das Gesicht zu waschen.
    Der alte Mann kam näher. »Tom, wie bist du hierhergekommen? Du lebst?«
    »Darf ich das nicht?« Der Junge blickte auf.
    »Aber Tom, der Grüne Park, die Blumen jeden Sonntag…« La Farge mußte sich setzen. Der Junge trat neben ihn und nahm seine Hand. Der alte Mann betastete die warmen, festen Finger.
    »Bist du’s wirklich, träumen wir auch nicht?«
    »Du möchtest doch, daß ich bei euch bin, nicht wahr?« Der Junge schien beunruhigt.
    »Ja, ja doch, Tom!«
    »Warum dann Fragen stellen? Nehmt mich, wie ich bin!«
    »Aber deine Mutter – der Schock…«





»Mach dir um sie keine Sorgen. In der Nacht habe ich ein wenig für euch gesungen, und ihr werdet euch deswegen leichter an mich gewöhnen – besonders sie. Ich kenne diesen Schock. Wart nur, bis sie kommt, du wirst sehen.« Er lachte und schüttelte seinen Lockenkopf. Seine Augen waren sehr blau und klar.
    »Guten Morgen, Lafe, guten Morgen, Tom.« Mutter kam aus dem Schlafzimmer und drehte ihr Haar zu einem Knoten zusammen. »Ist das Wetter nicht herrlich?«
    Tom wandte sich um und lachte seinem Vater ins Gesicht. »Siehst du?«
    Im Schatten des Hauses aßen sie gut zu Mittag, alle drei. Mrs. LaFarge hatte eine alte Flasche Sonnenblumenwein gefunden, den sie für eine festliche Gelegenheit aufgehoben hatte, und sie alle tranken davon. Mr. LaFarge hatte seine Frau noch nie so fröhlich erlebt. Wenn sie innerlich Zweifel hegte, so behielt sie sie für sich. Sie empfand die Situation als völlig normal. Und auch LaFarge begann sich daran zu gewöhnen.
    Während Mutter das Geschirr abwusch, beugte sich LaFarge zu seinem Sohn und lachte leise: »Wie alt bist du jetzt?«
    »Weißt du das nicht, Vater? Vierzehn natürlich.«
    »Wer bist du denn wirklich? Du kannst nicht Tom sein, aber irgend jemand muß doch in dir stecken. Wer?«
    »Frag nicht!« Erschreckt schlug der Junge die Hände vors Gesicht.
    »Du kannst es mir ruhig verraten«, sagte der alte Mann. »Ich verstehe dich schon. Du bist ein Marsianer, nicht? Ich habe

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