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Die Mars-Chroniken

Die Mars-Chroniken

Titel: Die Mars-Chroniken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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perfekt machen«, sagte Stendahl und hielt seine Laterne hoch, deren Licht auf die zusammengesunkene Gestalt fiel. »Läuten Sie leise mit Ihren Schellen.« Die Glocken bimmelten. »Und wenn Sie jetzt bitte sagen würden: ›Um Gottes willen, Montresor‹, dann lasse ich Sie vielleicht raus.«
    Der Mann hob das Gesicht ins Licht. Er zögerte. Dann sagte er mit verzerrtem Gesicht: »Um Gottes willen, Montresor.«
    »Aah«, sagte Stendahl mit geschlossenen Augen. Er schob den letzten Stein an seinen Platz und mauerte ihn fest.
    »Requiescat in pace, lieber Freund.«
    Hastig verließ er die Katakomben.
    In den sieben Räumen ließ der mitternächtliche Schlag einer Uhr jede Bewegung erstarren.
    Der rote Tod züngelte auf.
    Stendahl wandte sich in der Tür um und schaute noch einen Augenblick zu. Dann verließ er im Laufschritt das große Haus und rannte über den Graben zu einem wartenden Hubschrauber.
    »Fertig, Pikes?«
    »Fertig!«
    »Da sinkt es hin!«
    Lächelnd schauten sie auf das große Haus hinab. Wie von einem Erdbeben geschüttelt, begann es sich in der Mitte zu teilen, und während Stendahl das großartige Schauspiel verfolgte, hörte er Pikes hinter sich mit leiser Stimme aufsagen:
    »›…mir schwindelte der Kopf, als die Mauern wie Vorhänge auseinander flogen – da erscholl ein langes tumultartiges Gegröl, wie die Stimmen von tausend Wassern – und der unergründliche klamme Pfuhl zu meinen Füßen schloß sich mürrisch und schweigend über den Trümmern des HAUSES ASCHER‹.«
    Der Hubschrauber stieg über dem dampfenden See auf und flog nach Westen.

August 2005: Die Alten
     
    Und was war natürlicher, als daß schließlich auch die Alten zum Mars kamen, daß sie dem Beispiel der lauten Pioniere und der Anspruchsvollen und der berufsmäßigen Reisenden und romantischen Ideenverfechter folgten.
    Und so zogen sie los; die ausgetrockneten, pergamenthäutigen Leute, die Leute, die ihre Zeit damit verbringen, ihren Herztönen nachzulauschen und sich den Puls zu fühlen und Sirup in ihren faltigen Mund zu löffeln, Leute, die einst im November ihre Rollstühle nach Kalifornien gerichtet und im April drittklassige Dampfer nach Italien genommen hatten, die ausgetrockneten Aprikosen glichen, und Mumien – sie kamen schließlich auch zum Mars.

September 2005: Der Marsianer
     
    Die blauen Berge ragten im Regen auf, und der Regen rauschte in Sturzbächen in die langen Kanäle, und der alte LaFarge und seine Frau kamen vor das Haus und sahen zu.
    »Der erste Regen dieses Jahr«, bemerkte LaFarge.
    »Tut gut«, sagte seine Frau.
    »Sehr willkommen.«
    Sie schlossen die Tür. Drinnen wärmten sie sich die Hände über einem Feuer. Sie schauderten zusammen. Durch das Fenster sahen sie den Regen an den Flanken der Rakete schimmern, in der sie von der Erde gekommen waren.
    »Nur etwas stört mich«, sagte LaFarge und betrachtete seine Hände.
    »Was denn?« fragte seine Frau.
    »Ich wünschte, wir hätten Tom mitbringen können.«
    »Also, Lafe!«
    »Ich fang nicht wieder davon an; es tut mir leid.«
    »Wir sind hierhergekommen, um unser Leben zu beschließen und nicht mehr an Tom zu denken. Er ist jetzt schon so lange tot, daß wir wirklich versuchen sollten, ihn zu vergessen – ihn und überhaupt alles auf der Erde.«
    »Du hast recht«, sagte er und hielt seine Hände wieder in die Hitze. Er starrte ins Feuer. »Ich will nicht mehr davon reden. Mir fehlt wohl die Fahrt zum Grünen Park jeden Sonntag, wo wir Blumen auf seinen Grabstein gelegt haben. Woanders sind wir gar nicht mehr hingefahren.«
    Der blaue Regen rauschte leise auf das Dach.
    Um neun Uhr gingen sie zu Bett und lagen stumm nebeneinander, Hand in Hand, in der Dunkelheit des Regens; er fünfundfünfzig, sie sechzig.
    »Anna?« sagte er leise.
    »Ja?« erwiderte sie.
    »Hast du nichts gehört?«
    Beide lauschten in den Regen und den Wind.
    »Nichts«, sagte sie.
    »Da pfeift jemand«, sagte er.
    »Nein, ich habe nichts gehört.«
    »Ich stehe auf und sehe nach.«
    Er zog seinen Morgenmantel über und ging zur Tür. Zögernd öffnete er sie, und der Regen traf ihn kalt ins Gesicht. Der Wind wehte.
    Im Hof stand eine kleine Gestalt.
    Ein Blitz spaltete den Himmel, und grelles Licht erhellte das Gesicht, das den alten LaFarge ansah.
    »Wer ist da?« rief LaFarge zitternd.
    Keine Antwort.
    »Wer sind Sie? Was wollen Sie!«
    Schweigen.
    Er fühlte sich sehr schwach und müde und starr. »Wer sind Sie?« rief er.
    Seine Frau trat hinter ihn und nahm

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