Die Mars-Verschwörung
kränken wollte. Sie ist eine Bäuerin. Die können einen Soldaten nicht vom anderen unterscheiden. Noch viel weniger sind sie in der Lage, den besten Regulatoren auf dem Planeten zu erkennen, wenn er vor ihnen steht, meinst du nicht?«
Sie errötet, obwohl meine Schmeichelei eher unbeholfen geklungen hat. »Von mir aus übernimm den Auftrag. Aber dafür muss das Luder die Sturmnacht-Soldaten für uns entkleiden.«
Hört sich gut an. Vielleicht lernt Rebecca dann, ein bisschen vorsichtiger mit Worten umzugehen. »Einverstanden. Ich sage es ihr.«
»Moment.« Vienne hält mich an der Schulter fest, als ich wieder hineingehen will. »Ich ... vergiss es. Das steht mir nicht zu.«
»Wenn es dir nicht zusteht, wem dann? Spuck’s aus.«
»Es ist nur ... all die Monate, die wir nach den Daten gesucht haben. Was hat es uns eingebracht?«
»Du willst wissen, ob es die Mühe wert ist?«
»Nicht ganz.« Nachdenklich nagt sie auf der Unterlippe. »Ich will wissen, ob dir das alles immer noch wert ist?«
»Das Geheimnis aufzudecken, das mein Vater mir jahrelang vorenthalten hat?«, frage ich. »Ich weiß, ich kann das Übel, das er angerichtet hat, indem er die Dræu erschuf, nicht ungeschehen machen. Aber was passiert, wenn jemand wie Lyme das Projekt MUSE in die Finger bekommt? Womöglich bringen die es fertig, noch mehr Ungeheuer zu erschaffen. Deshalb lautet deine Frage eigentlich: Ist es die Mühe wert, diese Möglichkeit zu eliminieren? Und die Antwort ist ja. Abso-aasig-lut ja.«
Sie nickt. »Dann ist die Sache es mir auch wert.«
Damit gibt sie mir zu verstehen, dass sie bei mir bleiben wird und nicht im Kloster, dem einzigen Ort, an dem sie sich je sicher gefühlt hat.
Für mich steht damit fest, dass ich die Jagd nach dem Geheimnis meines Vaters fortsetzen werde. Ist das die Entscheidung, von der Ghannouj gesagt hat, ich würde sie treffen müssen?
Sollte es so sein, habe ich mich hoffentlich richtig entschieden.
Kapitel 10
Außenposten Tharsis Zwei
Präfektur Zealand
Annos Martis 238. 7. 20. 06:29
Mein Vater wusste bereits über ein halbes Jahr von seiner Krebserkrankung, ehe er es für nötig befand, mir davon zu erzählen. Es war am Tag seiner Verurteilung, nachdem das Interkorporative Tribunal über seine Strafzumessung befunden hatte. Er war des Mordes an Hunderten von Soldaten angeklagt worden – seineneigenen und denen seines erbitterten Rivalen, der Vijaya Corporation –, weil er eine Herde Big Daddys auf sie losgelassen hatte. Ich weiß das, weil ich einer dieser Soldaten war, einer der Glücklichen, die überlebt hatten. Mord lautete die offizielle Anklage, aber Vaters wahres Verbrechen war Hochverrat. Sein Ziel war die vollkommene globale Vorherrschaft gewesen. Das hört sich klischeehaft an, wie aus einem Roman, aber genau das hatte ihm vorgeschwebt, und er hatte die Mittel besessen, sein Ziel zu erreichen. Allerdings hatte er nicht selbst Regent des Mars werden wollen. Diese Ehre hatte er für mich vorgesehen.
Ich wurde geboren – nein, konzipiert –, um der Prinz des Mars zu werden. Vater heuerte eine Terranerin an, eine Astrophysikerin mit dem Körperbau einer Athletin, um deren Eizellen für eine In-vitro-Fertilisation zu verwenden. Außerdem heuerte er ein Surrogat an, das mich neun Monate lang austragen sollte. Von Geburt an erhielt ich jede Förderung, jede Möglichkeit, jede Lektion, die er für nötig hielt, um mich auf mein Los vorzubereiten. Als ich drei Jahre alt war, schickte er mich auf die Kampfschule, und mit sechs schloss ich mich dem CorpCom-Militär an. Sein Plan erlitt einen herben Rückschlag, als ich mich entschied, Regulator zu werden, statt Offizier, und er ging endgültig schief, als sein Putsch fehlschlug.
Als Kind und auch später hatte ich keine Ahnung, dass ich einem vorhergeplanten Lebensweg folgte. Erst als Vienne und ich uns mit ein paar anderen Regulatoren zusammentaten, um eine Gruppe Minenbewohner zu verteidigen, erfuhr ich von den komplexen Plänen meines Vaters. Der Mann hatte überall die Hände im Spiel, doch ehe ich ihn mit meiner Erkenntnis konfrontieren konnte, starb er im Gefängnis und überließ es mir und Vienne, den Hinweisen zu folgen, die er hinterlassen hatte – darunter einen besonders erschreckenden, der uns zu unserer Suche getrieben hat: ein hastig abgeschriebener medizinischer Bericht, der die verführerischen Formulierungen »Schwarmdenken«,»Cyborg-Betatester« und meinen Namen, Jacob Stringfellow, enthält.
»Du
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