Die Mars-Verschwörung
mehr Sturmnacht-Soldaten, als ich erwartet habe«, flüstere ich Vienne zu. »Die Mission ist gerade erheblich schwieriger geworden.«
»Umso mehr Spaß werden wir haben«, antwortet sie.
»Mimi, geschätzte Zahl der feindlichen Kräfte in unserer Umgebung?«
»Vor oder in dem Außenposten?«
»Beides.«
»Hunderte.«
Ich mache mir rasch ein Bild vom Eingangsbereich. Über dem Tor befindet sich ein Steg mit einem Ausguck zu beiden Seiten.Ein Dutzend Wachleute mit Flinten gehen auf dem Steg auf und ab, und in jedem Ausguck sitzen zwei Scharfschützen. Das entspricht einer üblichen CorpCom-Wachmannschaft, was mich verblüfft. Ich hatte angenommen, Sturmnacht wäre weniger gut organisiert. »Gib mir bitte eine genauere Zahl, Mimi.«
»Mehr als hundert, weniger als tausend. Tut mir leid, Cowboy, die Telemetrieschaltkreise in deinem Anzug sind einfach nicht so präzise, wie du es gern hättest.«
»Also, was sagst du?«
»Das ist nicht meine Sache, sondern deine.«
»Das ist nicht sehr tröstlich.«
»Du willst Trost?«, sagt sie. »Besorg dir einen Teddybären.«
»Bring mich nicht in Versuchung.«
Alles läuft gut, bis wir das Wachhäuschen erreichen. Dort haben sich inzwischen drei Reihen gebildet. Wir sind in der Reihe auf der linken Seite und bewegen uns auf einen Wachmann zu, der nur zwei Dinge zu überprüfen scheint – dass die Soldaten die richtige Ausrüstung haben, und dass auf ihrem Hals das Skorpion-Tattoo zu sehen ist.
»Nächster!«, brüllt der Wachmann und sieht den Soldaten, der zwei Plätze vor uns steht, dabei kaum an. »Nächster! Bewegung! Nächster!«
Dann ist Vienne an der Reihe.
»Whoa!« Der Wachmann tippt auf einen Elektrostatbogen, bei dem es sich um einen Dienstplan handelt, wie ich nun sehe. Dann fällt mir das rote Licht eines Barcode-Scanners an dem Wachhäuschen auf. Ich folge dem Lichtstrahl zu Viennes Hüfte, wo er einen in die Panzerweste integrierten Chip ausliest. »Du hättest schon vor sechs Stunden zurück sein sollen!«
»Wir ...«
Ich dränge mich vor und gebe mich aufgebracht. »Wir wurden aufgehalten.« Ostentativ zwinkere ich Vienne zu. »Du weißt doch, wie so was läuft. Sorry.«
Der Wachmann reagiert keineswegs amüsiert. »Sorry hilft euch auch nichts. Archibald ist bereits informiert.«
»Archibald?« Wer ist Archibald?, frage ich mich. Warum nicht Lyme?
»Ja, die Nummer Zwei persönlich«, sagt der Wachmann. »Dumm gelaufen. Wir informieren eure nächsten Angehörigen, falls ihr welche habt.«
Seit wann hat Lyme eine Nummer Zwei?
Als wir das Wachhäuschen hinter uns haben, sagt Vienne mit leiser Stimme: »Danke, dass du mich rausgehauen hast. Ich weiß nicht, was da passiert ist. Mein Gehirn ist stehen geblieben.«
»Dir eine Geschichte auszudenken, ist nun mal nicht deine Stärke«, entgegne ich und beobachte eine Gruppe Soldaten, die fluchend an uns vorbeirennen und sich darüber streiten, wer die letzte Zigarette bekommen soll. »Ich bin ein viel besserer Lügner.«
Sie versetzt mir einen leichten Schlag an die Schulter. »Das werde ich mir merken.«
Wir folgen den anderen Soldaten, die zu den Baracken marschieren. Als wir um die Latrinen herumgehen, die in einer Reihe nebeneinander stehen, scheren wir aus und laufen Richtung Verwaltungsgebäude weiter.
»Mimi, suche die Datenzentrale.« Ich tippe mir an die Schläfe und zuckte zusammen angesichts der statischen Entladung, die mir verrät, dass meine Auralanzeige aktiviert wird. »Projiziere eine Karte des Außenpostens auf die Anzeige. Markiere das Ziel und zeig den schnellsten Weg an.«
»Verstanden«, sagt Mimi. »Du bist dran.«
Ich blinzle zweimal. Ein holografisches Bild erscheint. Die Datenzentrale ist zwei Häuser vom Verwaltungsgebäude entfernt. Ich winke Vienne zu, und wir gehen durch eine düstere Gasse zwischen den Gebäuden, halten uns fern von den Hauptwegen. Ein paar Minuten später sind wir an der Hintertür der Datenzentrale,die in einem plumpen, zweistöckigen Gebäude untergebracht ist, das verdächtig nach einem Bunker aussieht.
Ich drücke die Klinke. »Abgeschlossen.«
»Geh zur Seite.« Vienne zieht eine leere Patronenhülse aus einer Tasche an ihrem Gürtel und eine Haarklammer aus ihrem Haar.
»Seit wann trägst du Haarklammern?«, frage ich.
»Immer schon. Du achtest wohl auf gar nichts.«
»Doch, auf dein Haar achte ich«, sage ich. »Aber darauf, was du reinsteckst? Machst du Witze?«
Vienne drückt die leere Hülse platt und biegt sie, um eine Art
Weitere Kostenlose Bücher