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Die Mars-Verschwörung

Die Mars-Verschwörung

Titel: Die Mars-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Macinnis Gill
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Generaldirektor.
    Als Generaldirektor des Zealand Corporate Command war mein Vater einerseits mein Lord, andererseits mein Vater, sodass ich und meine Mitregulatoren mit ihm zusammen in Ungnadegefallen sind. Wir hatten die Wahl: Wir konnten unserem Leben im Zuge der Zeremonie ein Ende machen, oder wir konnten uns dem Tod verweigern und als Dalit ein Leben in Schande führen, was mit der Amputation eines kleinen Fingers als eine Art symbolischer Geste einhergeht   – eine Geste, die als ständige Erinnerung an unser Versagen dient und jedem verrät, dass wir Ausgestoßene sind.
    Nachdem mein Vater verurteilt worden war, führten sie ihn auf den Hof vor dem Parlamentsturm. Dort stand er auf einer hölzernen Plattform, Hände und Beine in Ketten gelegt. Hinter einem Zelt hatten dreihundert loyale Regulatoren in einer Reihe Aufstellung genommen. Einer nach dem anderen gingen sie ein paar Meter weit durch die Dunkelheit, kletterten dann die neun Stufen zu dem Podest empor, knieten sich auf eine Tatamimatte und zogen sich die Kapuze vom Kopf. Vor ihnen stand eine schlichte, mit Synseide ausgeschlagene Kiste. Auf ein Zeichen hin zog ein Helfer den Stoff weg, worauf eine Glasphiole und ein scharfes Messer zum Vorschein kamen. Die Phiole enthielt Gift. Alles, was ein loyaler Regulator zu tun hatte, war, das Gift zu trinken, sich zu erheben und vom Podest herunterzuklettern. Bis er den Boden erreicht hätte, wäre sein Leben bereits vorbei gewesen. Helfer würden seinen Körper rasch in ein Leichentuch wickeln und in ein anderes Zelt tragen, wo seine Familie wartete. Später würden die Überreste eingeäschert und der Schöne Tod des jeweiligen Regulators gefeiert werden.
    Das alles dauerte Stunden. Vor- und Nachmittag zogen vorüber, während Vienne und ich am Ende der Reihe warteten. Es war mir bestimmt, dass ich als Sohn des gescheiterten Direktors als Letzter gehen sollte. Aber weil mein Vater ein Krimineller war, wurde mir diese Ehre vorenthalten und Vienne übertragen, die als tapferste und wildeste Kämpferin der Zealand-Regulatoren galt.
    Als ich schließlich an der Reihe war, folgte ich dem Teppich durch das Zelt zum Podest. Ich stieg die Stufen hinauf und knietenieder. Mit großer Geste zog der Helfer das Tuch fort. Ich blinzelte. Da war keine Phiole. Nur das Messer. Meiner Reaktion folgte lautes Gebrüll aus der Menge, als die Kameras auf die Kiste gerichtet wurden und sowohl das, was ich sah, als auch meine Reaktion auf großen Monitoren über dem Zelt übertrugen. Unisono starrten die Zuschauer, der Helfer und ich zu der Plattform hinüber, auf der mein Vater hoch aufgerichtet stand, das Kinn vorgereckt, die Schultern durchgedrückt. Es war klar, was das zu bedeuten hatte. Die Loyalitätszeremonie diente vor allem dazu, dem jeweiligen Lord die Ehre zu erweisen. Aber mein Lord wollte nicht, dass ich starb. Er wollte, dass ich am Leben blieb   – und in Ungnade fiel. Was sollte ich tun? Ich starrte auf das Messer, dann auf meinen Vater.
    Schließlich ergriff ich das Messer, klatschte meine Hand vor mir auf die Matte und trennte meinen kleinen Finger am zweiten Gelenk ab. Dann erhob ich mich und hielt die blutende Hand hoch, beschämt und trotzig zugleich, während die übrigen Helfer hastig die Stufen heraufkletterten und mir einen Druckverband anlegten. Die Menge war immer noch von dem Geschehen gefangen, als Vienne ihren Platz auf der Matte einnahm und darauf wartete, dass der Sekundant ihr die Phiole und das Messer in der Kiste zeigte. Als er es tat, folgte sie gefasst und besonnen meinem Beispiel.
    »Warum?«, fragte ich sie, während mir von dem Blutverlust und den Endorphinen der Kopf schwirrte.
    »Du bist mein Team und mein Chief«, sagte sie. »Meine Loyalität gilt zuerst einmal dir. Wenn du ein Dalit bist, dann muss ich auch ein Dalit sein.«
    Dann muss ich auch ein Dalit sein. Die Worte klingen mir noch immer in den Ohren. Viennes Opfer hat uns zusammengeführt, und doch fühle ich, wann immer ich ihren amputierten Finger betrachte, wie die Schuld in mir vibriert wie eine Totenglocke. Ja, ihr Opfer hat uns zusammengeführt, aber hält es uns einander auch fern?
    »Ich habe mir die Freiheit genommen, meine Datenbank nach Karten zu durchsuchen, während du dich in ironischem Selbsthass suhlst«, sagt Mimi und reißt mich aus meinen Gedanken. »Vier Kilometer voraus gibt es eine Ausfahrt, die zum Highway eins-siebzehn führt. Zwei Kilometer nördlich der Ausfahrt findest du eine Raststätte.«
    »Du

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