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Die Marseille-Connection

Die Marseille-Connection

Titel: Die Marseille-Connection Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massimo Carlotto
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moldawischen Unabhängigkeitsvertreter hatten ihrem Unwillen dagegen recht deutlich Ausdruck verliehen, und so bombardierte die Artillerie des neuen Russland 1992 die Stadt Tighina. Seitdem wachte die Rote Armee als selbsternannter peacekeeper , allerdings mit dem einzigen Interesse, die Waffenlager und Fabriken zu kontrollieren, die von der russischen Mafia und der Pseudoregierung unter dem Namen Sheriff zusammengefasst worden waren. Transnistrien war zu einem Supermarkt geworden, in dem sichKriminelle und Terroristen aus der ganzen Welt versorgten. Angesichts des florierenden Drogen-, Öl- und Zigarettenschmuggels drückten die Russen beide Augen zu – das waren Kleinigkeiten im Vergleich zur Gefährlichkeit des Waffenhandels.
    Der Mann und die Frau waren als glühende Anhänger der transnistrischen Unabhängigkeit bekannt. Er hieß Dan Ghilascu, wurde aber Zub genannt, sie hingegen trug keinen Spitznamen, sie hieß Natalia Balàn und war deutlich gefährlicher als er. Die Partneragentur als Deckmantel für einen schwungvollen Handel mit transnistrischen Handwerksprodukten war ihre Idee gewesen. Als der FSB feststellte, dass sie sich in Frankreich etablieren wollten, lag es für General Worilow nahe, dass es nicht um Handel, sondern um vaterlandsfeindliche Aktivitäten ging, die es zu beobachten und zu unterbinden galt. Ohne die Regierung zu informieren, hatte er beschlossen, eine Nachrichten- und Operationseinheit zu bilden und dafür alle verfügbaren Ressourcen in Marseille zu konzentrieren, auch die wirtschaftlichen. Darum war der Ex-Mafioso Sosim Katajew hierher umgeleitet worden. Zu Zeiten des Kalten Krieges hatten unbegrenzte Mittel für die Spionage zur Verfügung gestanden, heute musste man schauen, wie man sie sich beschaffte, auch wenn man sich die Hände an dubiosen Gestalten schmutzig machen musste.
    Auf längeres Warten gefasst, kehrte Ulita an ihren Tisch in der Brasserie zurück. Als gegen Abend die Sonne unterging, hatte sie den englischen Roman ausgelesen, der ihr als Entschuldigung für den ausgedehnten Aufenthalt diente. Sie hatte immer wieder Getränke bestellt und großzügig Trinkgeld gegeben, so dass die Kellner sie unbehelligt gelassen hatten.
    Jetzt bestellte sie Bier und ein Sandwich. Während sie in ein Stück Baguette biss, kam drüben eine rund fünfunddreißig Jahre alte Frau raschen Schritts heran und schlüpfte durch die Tür der Agentur. Sie schien es enorm eilig damit zu haben, einen Mann zu finden. Sie trug eine Wollmütze, den Mantelkragen hatte sie hochgeschlagen, so dass Leutnant Winogradowa nur einen ungenauen Blick auf ihr Gesicht werfen konnte. Bald darauf näherte sich ein Maghrebiner in den Fünfzigern. Vor der Tür verlangsamte er den Schritt unmerklich, blieb aber nicht stehen, sondern ging bis zu einem unweit geparkten Lieferwagen weiter, umkreiste ihn, kam dann entschlossenen Schritts zurück und trat ein. Für Ulita gab es keinen Zweifel, der Mann hatte sicherstellen wollen, dass der Ort nicht beschattet wurde.
    Sie ließ das halb aufgegessene Brötchen liegen, zahlte und bezog an der nächsten Kreuzung Stellung wie eine, die verabredet ist und warten gelassen wird. Zwanzig Minuten später kamen die Frau und der Maghrebiner heraus und gingen in Ulitas Richtung, sie immer respektvoll zwei Schritte hinter ihm. Ulita hätte ihnen folgen können, doch allein war das zu riskant, sie würden sie bald entdecken. Sie beschloss, ihnen entgegenzugehen, rasch und mit gesenktem Blick, um ihnen dann ganz zuletzt ins Gesicht zu sehen. Als sie dem Blick der Frau begegnete, stockte ihr kurz der Atem, und sie musste sich zwingen wegzusehen, um auch den Mann anzublicken.
    Den Maghrebiner kannte sie nicht, hatte ihn aber gründlich genug gemustert, um ihn auf Fotos wiederzuerkennen. Bei der Frau war das nicht nötig. Ulita entfernte sich ein paar hundert Meter, vergewisserte sich dabei, dass sie nicht verfolgt wurde, dann rief sie Worilow an.
    »General, Mairam Nasirowa ist hier in Marseille.«
    Ihr Vorgesetzter war hochzufrieden, machte ihr aber keine Komplimente, wie sie es erhofft hatte. Er gab die nötigen Anweisungen. Dann legte er auf.
    Ulita war außer sich vor Aufregung. Am liebsten hätte sie ganz Marseille zugerufen, dass sie eben eine gefährliche tschetschenische Terroristin entdeckt hatte, eine der letzten Überlebenden der »Schwarze Witwen« genannten Gruppe. Sie kehrte in Peskows Wohnung zurück. Natürlich würde sie ihn nicht informieren, sondern zum Abendessen

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