Die Marseille-Connection
ihren Wagen ein, die ihre Vorlieben kannte, und brachte sie in ein Motel. Nach dem Sex nahm die Hure sie in den Arm und flüsterte ihr zu: »Schlaf jetzt, Bernadette«, umsie bis zum Morgen nicht mehr loszulassen. Und um diese zärtliche Geste geheim zu halten, zahlte B.B. den doppelten Tarif.
DREI
Aleksandr Peskow betrat ein Gebäude, in dem elegante Büroräume tageweise vermietet wurden. Zu dieser Tageszeit standen die meisten leer. Er trug eine Basecap und senkte den Kopf, als er in der Eingangshalle unter der Videokamera hindurchkam. Der Fahrstuhl brachte ihn in den dritten Stock, wo der dichte Teppichboden seine Schritte dämpfte, bis er eine Tür mit der Aufschrift L3 erreichte. Es öffnete Sunil Banerjee. Rasch trat er ein, und sie umarmten sich fest. Ein weiterer Mann, ein Lockenkopf mit olivbrauner Haut, kam angelaufen, entriss ihn den Armen des Inders und drückte ihm zwei Küsse auf die Wangen.
»Du Dreckskerl von einem russischen Mafioso«, sagte er bewegt.
»Giuseppe, du Dreckskerl von einem Camorrista«, antwortete der Russe.
Still, vor Rührung wie erstarrt, beobachtete Inez die Szene. Nach drei langen Jahren des Getrenntseins waren sie alle vier wieder vereint. Diese Begegnung hätte in Zürich stattfinden sollen. Dort wäre es einfacher gewesen, doch jetzt, da sie wieder zusammen waren, erschien ihnen nichts mehr unmöglich.
Aleksandr ging auf Inez zu, nahm die Mütze ab und küsste sie auf die Stirn. Sie umarmten sich lange.
»Hast du mal gesehen, was für ein Knusperkeks unsere Inez geworden ist?«, fragte Giuseppe Cruciani.
Inez verpasste ihm einen Fausthieb auf die Schulter. »Du änderst dich auch nie«, sagte sie.
Sunil entkorkte eine Flasche Champagner. Der Tisch im Besprechungszimmer war für mindestens die dreifache Anzahl Esser gedeckt.
»Ich dachte, kurz wird unsere Besprechung nicht, und wir haben alle einen gewissen Appetit«, scherzte Banerjee.
Inez erhob den Kelch: »Ein Prosit auf die schlimmen Buben von Leeds.«
Giuseppe fiel ihr Motto wieder ein: »Auf die Schlimmsten! Wir sind diejenigen, die ihre Eltern umbringen, um den Ausflug des Waisenhauses mitzumachen.«
Sie lachten sich schier kaputt, wie damals, wenn sie sich im Dromos trafen, ihrem Lieblings-Pub, in dem sie Stunden verplauderten, sich nach und nach immer besser kennenlernten, bis sie einander derart ähnlich fanden, dass sie beschlossen, ihr Schicksal gemeinsam zu wagen und alles auf eine Karte zu setzen.
Sunil klopfte Aleksandr freundschaftlich auf die Schulter.
»Also ich begnüge mich ja vorerst damit, systematisch meinen Alten auszurauben, der denkt, er würde immer noch unter der Herrschaft ihrer Majestät der Queen leben, aber du hast vielleicht ein bisschen übertrieben, Alter, als du gleich die ganze Organisatsia ausgelöscht hast.«
»Es war herrlich, mich von den alten Idioten zu befreien«, platzte Aleksandr heraus. »Jahrelang hab ich sie ertragen müssen mit ihren dämlichen Mafia-Traditionen, den Tattoos, dem Neandertaler-Gehabe.«
»Und du, wie bist du deine übergriffige Familie losgeworden?«,fragte Sunil Giuseppe. »Ich hab nie verstanden, welcher böse Geist dich dazu getrieben hat, ein Unternehmen im Bereich der kosmetischen Chirurgie aufzuziehen.«
»Ich? Ich bin mit der Kasse abgehauen«, antwortete Giuseppe mit gespielt starkem neapolitanischem Akzent. »Doch zuvor habe ich meinen Frieden mit dem Gesetz gemacht und Namen und Beweise geliefert. Sie haben alles hopsgenommen, aber erzählt, ein anderer hätte gesungen und sich das Geld unter den Nagel gerissen. Hat mich eine runde Million gekostet, aber wenigstens ist niemand hinter mir her.«
»Wie viele Bullen und Richter hast du denn bestechen müssen, mein lieber Signor Cruciani?«, bohrte Sunil weiter.
Der Neapolitaner zuckte mit den Schultern. »Darum hat sich mein Anwalt gekümmert. Ich war ja nur ein kleiner Fisch, aber der, dem sie den Verrat angehängt haben, das war ein ganz dicker. Und dann ist sogar noch ein Krieg zwischen den Familien ausgebrochen.«
Inez seufzte. »Ihr Glücklichen … Ich darf so lange brav und still aufpassen, dass mein Vater, meine Brüder und Onkel nichts merken.«
»Das würde gerade noch fehlen«, bemerkte Giuseppe, »du bist unsere Bank. Ohne dich wären wir verraten und verkauft.«
»Ein ganz klein wenig dankbar sollten wir unseren verhassten Familien aber doch sein«, meinte der Russe. »Schließlich haben sie uns nach Leeds geschickt, und das war unser Glück. Dort haben wir begriffen,
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