Die Marseille-Connection
dass wir besser sein können als sie, ohne ein Teil ihrer Welt zu sein.«
»Weil wir die Besten waren, Sosim«, ergänzte Sunil. »Weißt du noch, was der Wirtschafts-Prof gesagt hat?«
Alle antworteten im Chor: »Es war uns eine Ehre, Sie hier bei uns zu haben!«
Sie tranken weiter Champagner und aßen sich an Schnittchen satt, lachten und machten Witze, bis Inez einen Aktendeckel aus ihrer eleganten Handtasche zog. »Also, jetzt zum Geschäftlichen. Mein Flugzeug geht morgen früh, ich muss um neun in der Bank sein.«
»Sklaventreiber, diese Schweizer«, scherzte der Inder und schaltete seinen Tablet-Computer an. »Also, Aleksandr, schildere uns die Lage.«
»General Worilow hatte nie die Absicht, die Züricher Operation durchzuführen, mit der eine finanzwirtschaftliche Basis für die laufende Mittelbeschaffung des FSB erzielt werden sollte. Jetzt soll ich dasselbe hier in Marseille aufbauen, wo sie offenbar geostrategische Interessen verfolgen, über die ich allerdings nicht im Detail informiert bin.«
»So viel verschwendete Liebesmüh«, schnaubte der Italiener. »Außerdem wäre Zürich sehr viel sicherer gewesen, um in Deckung zu bleiben.«
»Genau da liegt das Problem«, antwortete der Russe. »Das FSB erwartet, dass ich mir Zugang zu Finanz- und Wirtschaftskreisen und zur Politik verschaffe. Einerseits wollen sie sich hier gründlich verankern, andererseits in den relevanten Kreisen mit den üblichen Methoden – Korruption, Erpressung, Sex – Informanten und Mitarbeiter gewinnen.«
»Apropos Sex«, unterbrach ihn Banerjee. »Wie geht es der Löwin der Matratze, der geschätzten Ulita?«
Aleksandr konnte einen Seitenblick zu Inez nicht unterdrücken. »Sie ist in der Stadt.«
»In deiner Haut möchte ich nicht stecken«, bemerkte Giuseppe.
»Eure Konzentration ist nicht besser als die eines Einzellers«, stöhnte Inez. Dann biss sie sich auf die Lippe. »Entschuldigt,aber ich mache mir wirklich Sorgen, und ihr scheint alles auf die leichte Schulter zu nehmen. Das ist nicht nur Geplänkel, und wir sind nicht mehr auf der Uni.«
»Du weißt doch, das ist unser Stil«, verteidigte sich Sunil. »Nicht so todernst.«
Inez zeigte ihm einen Stinkefinger. »Red weiter«, sagte sie zu Aleksandr.
»Kurz gesagt, der FSB möchte in die am besten laufenden wirtschaftlichen Mechanismen des Westens eindringen, die aber auch am empfindlichsten gegenüber Skandalen und staatlichen Ermittlungen sind.«
»Und dich, wie praktisch, kann man jederzeit opfern«, überlegte Giuseppe.
»Genau. Falls es Probleme gibt, lassen sie den Mafioso Sosim Katajew auferstehen und werfen mich ohne weitere Umstände den diensthabenden Löwen zum Fressen vor.«
»Wir müssen also den Geheimdienst ebenfalls austricksen und schauen, wie wir aus Marseille wegkommen«, fügte Giuseppe hinzu.
»Das wird nicht einfach, aber zu gegebener Zeit müssen wir es versuchen«, seufzte Aleksandr und blickte auffordernd Sunil an, dem brillantesten Strategen der vier. Der Inder sah ihm ebenfalls in die Augen und nickte ernst. Jetzt war er dran.
»Als Erstes müssen wir eine der Offshore-Gesellschaften, die wir in Gibraltar gegründet haben, als plausiblen Grund für deine Anwesenheit hier in der Stadt nutzen. Eine Art Hülle, die wirtschaftlich und strukturell glaubwürdig wirkt und bequem vom FSB genutzt werden kann.«
»Denkst du an etwas Genaues?«
Die schmalen Finger des Inders spielten auf dem Bildschirm seines Tablets herum. »Die Internetnutzung in Afrikaerlebt unglaubliche Zuwächse, und die Verlegung von unterseeischen Glasfaserkabeln ist in Marseille einer der stärksten Wirtschaftszweige, nicht nur wegen der strategischen Lage, sondern auch dank der geringen Stromkosten. Wenn wir die richtigen Leute in den richtigen Positionen finden, kommen wir ohne Weiteres in das Geschäft hinein.«
Inez wedelte mit einem Blatt. »Ich hab schon ein paar interessante Namen aus den Listen der Konteninhaber unserer Bank, die könnten dabei nützlich sein.«
»Die kannst du uns ja dann gleich zeigen«, unterbrach sie der Russe, der den Faden von Banerjees Gedanken nicht abreißen lassen wollte. »Also wiege ich den FSB in dem Glauben, die Einnahmen aus dem Tschernobyl-Holz, die nicht direkt auf sein Konto gehen, würden ins Glasfasergeschäft investiert, aber da landet in Wirklichkeit nur ein kleiner Teil. Der größere geht in noch deutlich lukrativere Unternehmungen …«
»Ja, davon manche legal, wie der Immobilienmarkt«, schaltete Sunil
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