Die Marseille-Connection
getrennt lebend, Mutter zweier Kinder. Er wählte immer Frauen aus, die sich vor der Zukunft sorgten und von der Vergangenheit wie der Gegenwart enttäuscht waren. Sie zu vögeln diente ihm dazu, sie zu beobachten und sich vorzustellen, ob er sie den Rest seines Lebens neben sich haben wollte. Sein geheimer Traum bestand darin, eine solche Frau mittels eines von Mutter Kirche gesegneten Ehebundes aus einem unglücklichen und komplizierten Dasein zu befreien. Freilich würde das nicht genügen, die lange Liste seiner Sünden zu sühnen. Eher ging es ihm um ein ruhiges, auf Dankbarkeit basierendes Zusammenleben.
Das Problem war nur, er hatte noch nie eine getroffen, die so schön und im Bett so gut gewesen wäre, dass sie sein Geld verdient hätte. Er streckte die Hand aus und streichelte die Frau am Bein.
»Bitte, nur zu«, sagte sie, angeblich hieß sie Mia. »Du musst dich nur bald entscheiden, ich muss wieder zu Hause sein, bevor die Kinder aufwachen.«
Per GPS fand das Schlauchboot zu einem Strand nahe von Les-Saintes-Maries-de-la-Mer, wo es von Leutnant Winogradowa erwartet wurde. Zwei Männer und eine Frau stiegen aus, der Mann, der das Boot gesteuert hatte, half ihnen, ein paar schwere Koffer und Kisten an Land zu bringen und in den Lieferwagen zu laden, den Peskow mittlerweile angeschafft hatte.
Das Boot fuhr sofort wieder ab. Ulita hatte die Strecke mehrfach gecheckt und steuerte zielstrebig über kleinere Straßen nach Marseille. Erst dort hieß sie die Neuankömmlingerichtig willkommen. Sie tauschten Neuigkeiten und Scherze über die in Moskau gebliebenen Kollegen aus. Die Frau auf dem Beifahrersitz hieß Kalissa Mektina, die Männer auf der Rückbank Georgij Lawrow und Prokhor Etush. Alle drei waren erfahrene Einsatzkräfte des FSB; auch beim Überfall auf die Zentrale von Witali Saytsews Organisatsia hatten sie mitgewirkt. Worilow hatte sie wegen ihrer perfekten Französischkenntnisse und ihrer speziellen Ausbildung ausgewählt. Mit seinen vierunddreißig Jahren war Etusch der Älteste. Bevor er sich dem Geheimdienst angeschlossen hatte, war er einer der Speznas-Kämpfer in Tschetschenien gewesen, die reinste Kampfmaschine. Georgij Lawrow, einunddreißig, war Experte in Internetspionage, und Kalissa, die Jüngste, in Verhörtechnik. Sonst wurden Veteranen eingesetzt, um den Widerstand der Gefangenen zu brechen, aber sie hatte eine besondere Gabe. Mairam Nasirowa, die Terroristin, auf die sie angesetzt waren, verdiente die beste Behandlung. In Saint-Barnabé angekommen, besichtigten sie rasch das mit Discountermöbeln spartanisch eingerichtete Haus und versammelten sich dann in der Küche zu einem ersten Briefing.
»Wir müssen äußerst umsichtig vorgehen. Marseille steht unter intensiver Beobachtung durch Polizei und verschiedene französische Geheimdienste. Ohne perfekte Tarnung wird unsere Mission keinen Erfolg haben«, erläuterte Ulita. »Die Nachbarn müssen glauben, dass in dieser Villa zwei Ehepaare leben. Wir werden uns hier im Viertel aufhalten, einkaufen, die Lokale besuchen, aber dennoch relativ zurückgezogen leben. Es darf auf keinen Fall der Eindruck entstehen, wir hätten etwas zu verbergen, auch weil eines unserer Ziele sich ganz in der Nähe befindet.«
»Und wenn wir gefragt werden, was wir in Frankreich machen?«
»Wir arbeiten für die Dromos , eine Gesellschaft, die unterseeische Kabel verlegt. Das heißt, wenn wir nicht im Einsatz unterwegs sind, haben wir den Tagesablauf von Angestellten zu beachten, morgens aus dem Haus und abends zurück.«
Etusch war es nicht wohl dabei.
»Ich habe noch nie mit einer Tarnexistenz gearbeitet.«
»Deine Kollegen auch nicht«, räumte Winogradowa ein. »Zurzeit wirkt ihr genau wie das, was ihr seid, wie Angehörige einer Eliteeinheit. Ihr müsst ein Verhalten annehmen, das nicht so kämpferisch und autoritär wirkt. Beobachtet die Zivilisten – wie ziehen sie sich an, wie bewegen sie sich. Wenn ihr im Viertel unterwegs seid, vergesst nicht, dass ihr verheiratet seid. Macht euch mit der Stadt und ihrem Rhythmus vertraut. Ihr braucht ja nicht versuchen zu wirken wie Franzosen, aber ihr dürft keinerlei Verdacht erregen.«
Die drei Agenten wechselten ein paar Blicke. »Das deutet darauf hin, dass der Aufenthalt eher nicht von kurzer Dauer sein dürfte?« Kalissa bemühte sich um vorsichtige Worte.
»Eines kann ich mit Sicherheit sagen: Die Nasirowa gefangen zu nehmen und den transnistrischen Waffenhandel zu unterbinden, sind nur die
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