Die Marseille-Connection
die englische Erziehung. Einfach, schwierig … In Wahrheit ist das Leben verdammt kompliziert, aber man geht alle Probleme stilvoll an, mein Lieber.« Er blickte auf die Uhr. »Ich würde ja noch ein Glas trinken, allerdings, denke ich, ist es wohl besser, jetzt zu essen und ins Bett zu gehen. Morgen früh machen wir unseren Bootsausflug mit den Matherons.«
Gilles empfing sie höchstpersönlich auf der Gangway der Reine des Îles – achtzig Fuß reiner Luxus aus glänzend lackiertem Mahagoni und Messing.
»Willkommen, Monsieur Peskow!« Er drückte ihm dieHand, dann wandte er sich zu Sunil. »Sie müssen der Partner sein.«
Der Unternehmer gab den beiden Matrosen Order zum Ablegen, dann begleitete er seine Gäste in den Salon am Bug, wo sie von vier anderen Herren erwartet wurden, alle über fünfzig. Aleksandr bemerkte, dass Édouard nicht dabei war. Ein interessantes Detail: Der Vater vertraute seinem Sohn nicht voll und ganz.
Gilles machte sie miteinander bekannt. Die Clique war vollzählig versammelt: der ehrenwerte Herr Abgeordnete Pierrick Bremond, Doppelkinn und Fliege, Notar Jean-Pascal Tesseire, klein und gedrungen, mit üppigem flachsblondem Schopf, Fabrice Rampal, Direktor des Crédit Provençal, hager und scheinbar harmlos, wenn ihn nicht seine Raubvogelaugen verraten hätten, und schließlich Thierry Vidal, Eigentümer der Immobilienfirma Haxo, mit künstlicher Gesichtsbräune und den geröteten Nüstern des gewohnheitsmäßigen Koksers.
Die beiden Gäste wechselten einen raschen Blick. Inez hatte den richtigen Riecher gehabt, das waren die passenden Leute für ihre Geschäfte in Marseille. Ein Kellner brachte Champagner und Schnittchen. Diese Ganoven erwiesen sich als gut eingespielter Freundeskreis, genussfreudig, sympathisch.
Matheron ergriff das Wort und kam ohne Umschweife zum Punkt: »Ich habe meinen Freunden Ihr Angebot geschildert, und wir könnten bereit sein, es in Erwägung zu ziehen, aber zu unseren Bedingungen.«
»Die wären?«
»Wir dürfen keinen direkten Kontakt mehr zu Geld haben, weder zu privatem noch zu öffentlichem«, antwortete Bremondmit der Baritonstimme des abgebrühten Politprofis. »Wir sind zwar nicht ins Gefängnis gewandert, aber der Skandal hat uns gebrandmarkt. Allerdings verfügen wir immer noch über die Macht, Ihr Geld den Geschäften zuzuleiten, die sich wirklich lohnen. Wir werden im Hintergrund agieren, es wird zwischen uns keinerlei offizielle Verbindung geben, und Sie zahlen uns fünfundzwanzig Prozent.«
»Eine vollkommen marktunübliche Zahl«, entgegnete Sunil. »Wir halten zehn Prozent für mehr als genug.«
Peinlich berührtes Schweigen. Fabrice Rampal stand auf und nahm den Inder beim Arm. »Kommen Sie, ich zeige Ihnen, was Marseille zu bieten hat.«
In der Sonne war es ziemlich heiß, auch wehte der Nordwestwind nur schwach. Ein idealer Tag für einen Bootsausflug, doch war die Reine des Îles in Wirklichkeit nicht aufs offene Meer hinausgefahren, sondern kreuzte vor der Küste. Rampal deutete auf die Stadt: »Das ist Cap Pinède«, erläuterte er. »Auf dreihundert Hektar werden vierzehntausend neue Wohnungen, Geschäfte und Büros gebaut, im Wert von einer Milliarde Euro. Und achtzigtausend weitere in der übrigen Stadt …«
Gilles deutete woandershin. »Die Cité de la Savine. In einhundertfünfzig Wohnungen steht eine Asbestsanierung an, die Renovierungsarbeiten kommen noch dazu. Dasselbe in sechshundert Wohnungen an anderen Orten in der Stadt.«
»Außerdem hätten wir Kunden sowohl für Ihren Müllhandel als auch für das slowenische Holz, und wir können Ihnen Aufträge für die Verlegung unterseeischer Kabel vermitteln«, schaltete sich Rampal wieder ein. »Das ist unser Marseille.«
Bremond räusperte sich. »Jeder von uns ist ein Teil in dem Mechanismus, der die Tore zur Stadt öffnet. Politik, Finanzen,Bausektor, Immobilienmarkt – und dazu unser Jean-Pascal, ein ganz hervorragender juristischer Kopf, der jeglichen notariellen Akt möglich macht und sämtliche Transaktionen und Vertragsentwürfe betreut. Wir stellen Ihnen unsere Erfahrung zur Verfügung, unseren Verstand, unser Kontaktnetz und unser persönliches Ansehen.«
Peskow sah Sunil an. Er war bereit, das Angebot anzunehmen, aber der Inder war immer für eine Überraschung gut: »Verehrte Herren, ich hege nicht den geringsten Zweifel, dass auf diesem herrlichen Schiff die besten Geschäftskontakte der gesamten Region versammelt sind, aber mehr als zwanzig Prozent
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