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Die Marsfrau

Die Marsfrau

Titel: Die Marsfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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ihm die
Vision: Das Knochige schwand, machte geröteten Wangen
Platz, die Haare hingen wirr gelockt herab und rahmten das
Gesicht. Und die Augen passten da hinein, dieselben
strahlenden Augen. Ja, das war eher eine Ramona-Ros. Aber
wie lange mochte das her sein?
Sylvester gab sich einen Ruck. ,Ob sie Kinder hat?’, dachte er
noch, dann hob er ebenfalls sein Glas. –
    Ein Straucheln über eine Unebenheit unterm Schnee brachte
Sylvester Reim in die Wirklichkeit zurück. Es hätte nicht viel
gefehlt, und er wäre längelang hingestürzt. Er fluchte, blieb
stehen und versuchte sich zu orientieren. Im Klaren war er sich
nicht, ob er das Feld schon erreicht hatte. Er bog von dem, was
er für den Weg hielt, scharf nach rechts ab, stapfte noch ein
paar Meter und begann unschlüssig mit den Stiefeln zu
scharren. Wenig später blieb er mit dem linken Fuß hängen,
bückte sich, wühlte im Schnee, zog dann einen Handschuh aus,
weil er durch das Kunstfell nichts fühlte, und zerrte mit
klammer Hand eine Ranke ans Tageslicht, deren dunkelgrüne
efeuartigen Blätter wie mit Wachs überzogen aussahen.
Zahlreiche Knospen würden bald aufgehen und eine stattliche
Blüte hervorbringen.
    Sylvester Reim rief überrascht: „Alle Wetter!“ und vergaß
die Eisnadeln, die ihm in den Kragen drangen. Die Züchtung
dieser resistenten frostharten Bodenpflanzen machte bestimmt
nicht geringere Freude als die Beschäftigung mit dieser
Faunella.
    Er zog mit den Absätzen Furchen, fühlte nach und stellte so
das Ausmaß der Wucherungen fest. Mehrmals stieß er die Luft
durch die Zähne, weil die Erwartungen weit übertroffen
wurden. Sylvester kam zu dem Schluss, dass der Weg entlang
den Kirschbäumen längst von einem Pflanzenteppich belegt
sein musste.
    Allmählich begann er in seiner warmen Kleidung zu
schwitzen. Der Schal hatte sich gelöst, er zog das eine
eisverkrustete Ende hinter sich her durch den Schnee.
Sylvester Reim fühlte sich zufrieden, und er pfiff mit Lippen,
die frostklamm den Dienst zu verweigern drohten, vergnügt
vor sich hin. –
    Alexej Armandowitsch Bolscha lag ausgestreckt im
Schaumsessel und starrte an die Decke. Er verfluchte im
Stillen
– wie bereits Hunderte Male vorher
– den
Innenarchitekten, der den Wohntrakt der Station entworfen
hatte, schalt ihn einen penetranten Sadisten, weil er das Muster
an der Decke in jener blödsinnigen viereckigen Spirale
angeordnet hatte, die bei längerem Hinsehen scheinbar zu
flirren und zu tanzen anfing und deren Nachbild selbst bei
geschlossenen Augen einen noch ganz wirr machen konnte.
Dabei sollte sie beruhigend wirken, der Umgebung aber den
Anschein von etwas Dynamischem geben. ,Vielleicht für
jemanden, der sich zwei, drei Stunden hier aufhält’, dachte
Alexej voller Grimm. ,Zwei Jahre lang aber… So muss das
rote Tuch auf den Stier wirken. Man müsste…’ Wie oft schon
hatte er sich vorgenommen, diese vermaledeite Decke zu
überspritzen. Ebenso oft war dieser Entschluss im Keim
steckengeblieben. Und er wusste, dass es auch diesmal nicht
anders sein würde.
    Er hob den Arm mit der Uhr. Fünfzehn Minuten über die
Zeit. Pfeif drauf! Was schadete es schon, wenn die Kontrolle
und die nächste und übernächste ausfielen. Nichts und
niemandem schadete es. Man hätte die Stationen schon lange
voll automatisieren können. Was wäre schon, wenn eine
vorübergehend versagte! Die Pflanzen würden einige Tage im
Wachstum stagnieren, ein wenig kümmern. Na schön! In der
Zentrale würde man das beizeiten merken, und innerhalb einer
Woche könnte der Schaden behoben sein. Aber wem geht es
schon um die Station und die Leute darin! Vor fünfzig Jahren
von einem neunmalklugen Raummediziner ausgebrütet als
Training – für die sogenannte dritte Qualifikationsstufe. ,Dass
ich nicht lache! Und dann haben sie diesen Unsinn durch alle
Ausbildungsreformen schlüpfen lassen.’
    Alexej hievte sich vom Sessel. Er schüttelte sich, wobei ihm
die langen, gewellten dunkelblonden Haare ins Gesicht fielen.
Er überlegte, ob er das kleine oder große „Kostüm“ anlegen
sollte, und er entschied sich für das kleine.
    Lustlos schloss er die Tür.
„Wird auch immer gelber, das Biest“, murmelte er nach
einem Blick auf die freundliche kleine Sonne, die zu drei
Vierteln über den Horizont lugte.
Alexej legte die Rechte über die Augen und sah gegen das
Licht zum Roten Felsen. ,Mac lässt sich Zeit’, dachte er. ,Na
ja, warum sollte er den Mars nicht auch satt haben. Ist doch nur

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