Die Maschen des Schicksals (German Edition)
was sie beide gehabt hatten, nicht. Trotzdem hatte sie noch viele Jahre nach der Scheidung von ihm geträumt. Das tat sie noch immer, sehnte sich nach ihm und wünschte sich mit jeder Faser ihres Seins, dass ihre Ehe sich anders entwickelt hätte. Vielleicht wäre ihre Beziehung besser verlaufen, wenn Elise es geschafft hätte, ihn so zu akzeptieren, wie er war.
Leider konnte sie das nicht, und es war zu spät für sie beide. All die Jahre war er durch das Land gezogen und hatte, wie sie fand, sein Leben verschwendet. In gewisser Weise habe ich das auch, dachte Elise traurig.
„Mom, hast du ihn nun geliebt oder nicht?“, drängte Aurora.
„Ja, das habe ich.“ So sehr, dass es ihr noch immer Angst einjagte, das einzugestehen.
Ihre Tochter entspannte sich merklich. „Wir haben noch Kontakt zueinander, weißt du.“
Das war Elise bewusst. Maverick lebte inmitten des Abschaums der Gesellschaft, wie sie es ausdrückte, und verdiente seinen Lebensunterhalt mit Kartenspiel und wer weiß, was sonst noch. Doch offensichtlich hatte er Erfolg – genug jedenfalls, um Aurora die ganze Zeit zu unterstützen und ihr Studium zu finanzieren. Neben seinen regelmäßigen Überweisungen und den Ausbildungskosten hatte er immer noch etwas Geld zum Geburtstag ihrer Tochter oder zu Weihnachten geschickt. In den ersten siebzehn Jahren nach ihrer Scheidung hatte er Aurora einmal im Monat geschrieben, auch wenn es keine langen Briefe gewesen waren. Meist handelte es sich um Postkarten, auf denen er sie wissen ließ, wo er sich aufhielt und ob er gerade gewonnen hatte. Gewinnen war für Maverick immer sehr wichtig gewesen. Eigentlich war es für ihn alles. Er lebte auf der Jagd nach dem Jackpot, der ihm sein Leben finanzieren würde. Soweit Elise wusste, hatte er ihn bisher nie geknackt.
„Wenn du den Kontakt zu deinem Vater weiter pflegen willst, hat das nichts mit mir zu tun“, erklärte sie ihrer Tochter steif. Elise hatte diese Postkarten auch gelesen und wünschte, sie hätte es nicht getan – denn sie befürchtete, es war ein Zeichen dafür, dass sie sich noch immer etwas aus ihm machte. Dass sie sich noch immer nach dem sehnte, was das Schicksal offenbar nicht für sie vorgesehen hatte.
„Dad und ich telefonieren öfter miteinander.“
Auch das wusste Elise. Als Kind war Aurora immer so aufgeregt gewesen, wenn ihr Daddy angerufen hatte. Nun, als Erwachsene, reagierte sie noch immer genauso. Aurora war bisher von ihrem Vater nie enttäuscht worden, und Elise konnte den Gedanken nicht ertragen, dass sie einmal genauso desillusioniert sein würde wie sie selbst. Maverick tat denen, die er liebte, nicht absichtlich weh. Er ging einfach nur gedankenlos mit den Gefühlen der anderen um. Die Menschen, von denen er behauptete, sie zu lieben, kamen bei ihm nie an erster Stelle. Man konnte sich einfach nicht auf ihn verlassen. Wenn er ankündigte, um neun zu Hause zu sein, dann hieß das, er würde um neun kommen, es sei denn, irgendwo lief ein Kartenspiel. Seine Launen hingen davon ab, ob er gewann oder verlor. Wenn er gewonnen hatte, war er in Hochstimmung und glücklich, hatte Elise in seinen Armen umhergeschwenkt und ein Festessen geplant. Wenn er verlor, überkamen ihn Wutanfälle und Verzweiflung.
„Er kommt her, Mom“, verkündete Aurora. Sie sah Elise direkt in die Augen.
„Kommt her“, wiederholte Elise wie betäubt. „Nach Seattle?“
Aurora nickte.
„Findet hier ein großes Pokerturnier statt?“ Nicht dass sie im Entferntesten von diesem Metier eine Ahnung hätte.
„Er kommt, um mich zu sehen“, entgegnete Aurora gekränkt.
„Wie … väterlich“, murmelte Elise sarkastisch. „Alle fünf oder zehn Jahre …“
„Mom!“
„Tut mir leid.“ Elise machte den Mund zu, bevor sie etwas sagen konnte, das sie später bedauerte.
„Das habe ich bei dir und Dad nie kapiert.“ Ihre Tochter versuchte mit aller Mühe, sich zu beherrschen. „Du gibst mir das Gefühl, eine Verräterin zu sein, nur weil ich meinen Vater nicht aus meinem Leben ausschließen möchte.“
„Tu ich das?“ Elise schluckte hart, diese Behauptung tat weh. Sie hatte nichts weiter gewollt, als Aurora vor der sicheren Enttäuschung zu bewahren.
Aurora nickte, und als ihre Augen vor Tränen glänzten, war klar, dass sie es ernst meinte.
„Es tut mir so leid. Mir war nie bewusst, dass ich … dass ich mich so verhalten habe.“ Sie wurde von Schuldgefühlen überwältigt.
„Hast du aber. In den ganzen Jahren während meiner
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