Die Maschen des Schicksals (German Edition)
„Ich konnte es ihm nicht abschlagen.“
„Hat er die Mitleidstour versucht?“
„Nein“, erwiderte sie sofort und schien verletzt zu sein, dass Elise so etwas vermutete. „Hat er nicht. Dad hat sich David, mir und den Jungs gegenüber immer großzügig und wunderbar verhalten.“
„Auf den Mann kann man sich nicht verlassen.“
„So siehst du ihn, aber für mich ist er mein Vater.“
Elise überkamen sofort wieder Schuldgefühle. Sie nahm sich fest vor, nie wieder etwas Negatives über ihren Exmann zu sagen. „Okay, er kommt also für zwei Wochen zu Besuch.“
Aurora nickte.
„Und du bist wirklich sicher, er weiß, dass ich mit euch zusammen in diesem Haus wohne?“
„Ja.“ So wie ihre Tochter das sagte, nahm Elise an, dass Maverick diese Komplikation der Dinge nicht erwartet hatte. Nun, was immer er vorhatte, Elise würde ihn im Auge behalten – sie hatte ihn glücklicherweise durchschaut. Sie würde er nicht so leicht täuschen können.
„Wo soll er schlafen?“ Das Haus mit den drei Schlafzimmern war groß genug für alle, doch es gab kein Gästezimmer. Elise hatte das dritte Zimmer bezogen und es sich zu einem winzigen Studio-Apartment eingerichtet. Sie verfügte über eine Mikrowelle, ihr eigenes Bad, eine Fernsehecke komplett mit einem Schaukelstuhl und ihr Bett. Mehr brauchte sie nicht. Sie hatte ihre Privatsphäre, ein kleines Refugium, in das sie sich auch zurückziehen konnte, wenn sie ihrer Tochter und deren Familie mehr Raum geben wollte.
„Ich bringe Dad im Zimmer der Jungs unter.“
Das war eine weise Entscheidung. Ihre Enkelsöhne, auch wenn sie die reinste Freude waren, konnten ziemliche Bengel sein. Maverick war die Gegenwart von Kindern nicht gewohnt. Elise nahm an, dass er es nicht lange aushalten würde, mit Luke und John in einem Zimmer zu schlafen.
„Es ist nicht einfach“, sagte Aurora noch.
Elise verdrehte die Augen. „Das ist noch sehr milde ausgedrückt.“ Sofort waren die Schuldgefühle wieder da.
„Ich bin auf deine Hilfe angewiesen, Mom, und kann es nicht gebrauchen, dass du gegen mich arbeitest.“
„Ich würde dir nie wehtun“, versicherte Elise ihrer Tochter. Sie versuchte, nicht zu zeigen, wie sehr es sie traf, dass Aurora überhaupt so etwas ansprach.
„Aber du willst Dad wehtun.“
„Das stimmt nicht“, wehrte Elise sich aufgebracht. „Ich hege absolut keine Gefühle für deinen Vater, weder positive noch negative.“ Das war eine Lüge, und ihre Wangen röteten sich leicht, als sie das sagte.
„Mut-ter!“, rief Aurora und betonte jede Silbe. „Du hast so viele unerledigte Geschichten mit Dad, es würde Tage dauern, die alle aufzulisten.“
„Das ist ja lächerlich.“ Ihre Tochter kannte sie gut, doch im Moment war es wichtig, die Maske der Gleichgültigkeit aufrechtzuerhalten. Irgendwie würde sie diese zwei Wochen überleben.
Aurora nahm jetzt zum ersten Mal einen Schluck von ihrem Eistee. Ihre Fingerknöchel traten weiß hervor, während sie das Glas umklammerte. „Ich will nicht mit dir darüber diskutieren, vor allem jetzt nicht. Was ich brauche, ist dein Versprechen, dass du nichts sagen oder tun wirst, das Dad verletzen könnte.“
„Ich würde nie …“
„Es ist mir wichtig, dass es friedlich bleibt. Ich möchte den Jungs nicht erklären müssen, warum du auf Dad wütend bist.“
Elise war gekränkt, dass ihre Tochter meinte, sie wäre diejenige, die Ärger machen könnte. „Du hast mein Wort, dass ich alles in meiner Macht Stehende tun werde, damit dein Vater hier einen angenehmen Aufenthalt genießt.“ Wenn das bedeutete, dass sie sich die nächsten zwei Wochen in ihrem Zimmer verkriechen musste, dann würde sie das tun.
„Versprich es nicht zu leichtfertig, Mom. Das ist die wichtigste Bitte, die ich je an dich gerichtet habe.“
Elise fragte sich erneut, ob sie nicht doch lieber ausziehen sollte, um allen diese angespannte Situation zu ersparen. Leider wusste sie nicht, wo sie hingehen könnte. Sie war dazu gezwungen, mit dem Mann im selben Haus zu leben, den sie die vergangenen siebenunddreißig Jahre geliebt und gehasst hatte.
7. KAPITEL
„G ut sitzende und sorgfältig mit der Hand gestrickte Socken sind die ‚richtigen‘, die industriell gefertigten lediglich eine blasse Kopie.“
(Diane Soucy, „Knitting Pure & Simple“
www.knittingpureandsimple.com )
Lydia Hoffman
Meine erste Unterrichtsstunde im Sockenstricken stand bevor, und ich sah dem Ein-Uhr-Treffen schon nervös entgegen. Letztes Jahr
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