Die Maschen des Schicksals (German Edition)
stimmte. „Meine Schwester besucht sie nachher mit den Mädchen. Mom braucht das.“
„Da du gerade von Margaret sprichst, hat sie schon was zu dir gesagt?“
„Weshalb?“, fragte ich vorsichtig.
Brad griff nach meiner Hand und verschlang seine Finger mit meinen. Ich lächelte ihn an und vergaß Margaret. Es sind diese Momente, in denen wir uns unendlich nahe und verbunden fühlen, die mich so mit Glück erfüllen, dass ich fast platzen könnte. Wie jede Frau sehne ich mich nach Liebe, Heirat, einer Familie. Wegen meiner Krebserkrankung hätte ich nie gedacht, jemals eine Chance für so etwas zu bekommen. Jeden Tag war ich aufs Neue dankbar, Brad an meiner Seite zu haben, dass er an meinem Leben teilnahm, dankbar, trotz all meiner Unzulänglichkeiten und Fehler von ihm geliebt zu werden. Dass ich gegen den Krebs gekämpft hatte, nicht nur einmal, sondern zweimal, machte mich für ihn zu einer zweifachen Gewinnerin. Und das bin ich auch, eine Gewinnerin, weil ich mich so unglaublich beschenkt fühle.
„Ich glaube, ich weiß, was Margarets Problem sein könnte“, sagte Brad und riss mich damit aus meinen Gedanken.
„Ja?“ Irgendwie war mir nicht so danach, über Margaret zu sprechen. Im Augenblick hätte ich lieber einfach mein Glück genossen.
„Ja. Gestern Nachmittag im Eisenwarenladen habe ich Matt getroffen“, erzählte Brad.
Mein Schwager ist ein offener, starker Charakter. Ich glaube, er bildet ein gutes Gegengewicht zu meiner Schwester, die dazu neigt, die Dinge zu pessimistisch zu betrachten. Matt nimmt das Leben nicht so ernst wie sie. Im Gegensatz zu ihr neigt er nicht dazu, sich allzu sehr über irgendetwas aufzuregen, und – was noch angenehmer ist –, er frisst nichts in sich hinein.
„Was hat Matt gesagt?“ Wir waren gelegentlich zu viert ausgegangen, und die beiden Männer hatten sich prächtig verstanden. Margaret lud uns vor einigen Monaten zum Essen ein, und wir waren bis zum frühen Morgen beim Kartenspielen versackt. Ich hatte gehofft, dass wir uns noch öfter treffen würden, aber bisher war das nicht mehr passiert.
„Er arbeitet nicht mehr.“
„Wie, er arbeitet nicht mehr?“ Matt war bei Boeing angestellt, solange ich ihn kenne, wahrscheinlich seit zwanzig Jahren.
„Nicht mehr arbeiten im Sinne von: entlassen sein.“
„Wie bitte? Wann?“
„Vor drei Monaten.“
„Nein.“ Das konnte nicht sein. Drei Monate? Margaret hatte drei Monate lang kein Wort verloren? Ich war schockiert.
„Das sagt er jedenfalls. Er hat sich die Hacken abgerannt und eine neue Stelle gesucht, aber nichts gefunden.“
Mir wurde ganz elend zumute. „Aber ich dachte …“ Ich wusste nicht, was ich gedacht hatte. Das war verrückt. Ich bin Margarets einzige Schwester, und wenn sie nicht in der Lage war, mit mir zu reden, wem konnte sie dann vertrauen?
„Matt schien zu denken, ich wüsste Bescheid, deshalb habe ich so getan als ob.“
Das Brennen in meinen Augen kündigte an, dass ich kurz davor war loszuheulen. Meine Kehle fühlte sich an wie zugeschnürt.
„Fängst du an zu weinen?“
Ich schniefte und nickte. „Man sollte meinen, sie hätte mit mir darüber reden können.“
„Wenigstens weißt du jetzt, warum sie in letzter Zeit so angespannt ist.“
Das machte es nicht besser. „Ich hätte gedacht, meine eigene Schwester würde mir vertrauen. Aber das war wohl ein Trugschluss.“ Ich wischte mir die Tränen aus den Augen, bevor sie mir über die Wange rollten. Jetzt war mir einiges klar. Margarets Verhalten in den letzten Wochen bekam nun einen Sinn. Sie war nicht nur schlechter Stimmung, sondern hatte auch schon lange keine Wolle mehr gekauft und auch nichts im French Café gegenüber auf der anderen Straßenseite. Im Grunde, jetzt, da ich darüber nachdachte, stellte ich fest, dass sie überhaupt nie Geld ausgab, wenn es nicht absolut notwendig war.
„Ich hätte es wissen müssen“, flüsterte ich aus einem plötzlichen Schuldgefühl heraus. „Es hätte mir auffallen können.“
„Wie denn?“
Es ist nicht leicht, das Verhalten meiner Schwester zu interpretieren. Doch tief im Innern glaubte ich, ich hätte die Zeichen bemerken müssen. Womöglich hätte ich auch mehr auf die Nachrichten achten sollen. Über Entlassungen bei Boeing hatte es bestimmt einen oder zwei Berichte gegeben. Mir war das alles völlig entgangen …
„Wirst du sie darauf ansprechen?“, wollte Brad wissen.
Ich dachte lange darüber nach, bevor ich antwortete. „Ich glaube nicht.“ Aus
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