Die Maschen des Schicksals (German Edition)
würde, hatte Elise schon mit den Vorbereitungen für das Dinner begonnen. Die Soße war bereits angerührt und der Käse für das Lieblingsessen der Familie gerieben, das den nicht sehr eleganten Namen „Spaghetti-Auflauf“ trug.
Innerhalb von wenigen Minuten hatte sie die Kleidung ihrer Neffen zusammengefaltet. Um sie nicht im Wäscheraum liegen zu lassen, trug sie den Korb ins Zimmer der Jungs. Seit Mavericks Ankunft hatte sie den Raum nicht mehr betreten. Wenn sie von ihm erwartete, dass er ihre Privatsphäre respektierte, dann musste sie ihm das Gleiche zugestehen.
Sie öffnete die oberste Schublade des Kleiderschranks und stellte fest, dass Aurora sie für Maverick freigeräumt hatte. Sofort schob sie sie wieder zu und schaute in die zweite und dritte, in denen Lukes und Johns Sachen waren. Schnell ordnete sie die Shorts und T-Shirts ein. Elise wusste sehr wohl, was sie als Nächstes tun sollte – sich umdrehen und das Zimmer verlassen. Aber sie konnte nicht widerstehen … In Mavericks Schublade hatte sie die Ecke eines Bilderrahmens entdeckt. Natürlich ging es sie nichts an, um wessen Foto es sich handelte und warum er es ganz unten im Schrank aufbewahrte – das war ihr klar, aber dennoch …
Zögernd wandte sie sich um und lief zur Tür, dann drehte sie sich wieder um und ging mit klopfendem Herzen zurück. Auf dem kleinen Tisch neben dem unteren Bett sah sie das Buch, in dem Maverick gerade las, und eine Kaffeetasse. Aber keine Fotos.
Plötzlich hielt sie es nicht mehr länger aus. Warum sich so quälen? Ein kurzer Blick würde ihr sagen, wer auf dem Foto war, und ihre Neugierde wäre befriedigt. Sie öffnete die Schublade und starrte hinein. Die Kante des Rahmens lugte unter seinen T-Shirts vor. Der Rahmen war silbern und leicht abgeschabt.
Nur ein Blick, überlegte sie wieder. Okay, es wäre ein Eindringen in seine Privatsphäre, aber keine so große Sache. Nicht dass sie grundsätzlich solche … solche subjektiven moralischen Prinzipien guthieß. Nein, sie würde sich nichts vormachen. Sich das Foto anzusehen, war nicht richtig. Aber sie würde es trotzdem tun. Sie würde es nicht anfassen. Nur die T-Shirts ein wenig bewegen. So wie sie Maverick kannte, handelte es sich wahrscheinlich um ein Foto eines Blackjack-Turniers, das er gewonnen hatte.
Mit rasendem Puls hob sie die Shirts mit spitzem Finger an – und erstarrte. Sie hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Es war ein Foto von ihr!
Er hatte es gemacht, kurz nachdem sie erfahren hatte, dass sie mit Aurora schwanger war. Sie waren durch einen nahe gelegenen Park geschlendert, und er hatte sie gerade geknipst, als sie sich umdrehte, nachdem sie einen Rosenbusch betrachtet hatte. Ihre Augen leuchteten voller Liebe und Aufregung. Das war, bevor ihr alle Illusionen geraubt worden waren, bevor sie die Wahrheit über den Mann, den sie geheiratet hatte, erkennen und akzeptieren musste. Doch in diesem Moment, als sie von ganzem Herzen glücklich gewesen war wie nie zuvor und niemals mehr danach, hatte er sie fotografiert. Sie war eine Frau voller Liebe gewesen, mit Zukunftsträumen von ihrem Baby und von der Familie, die sie haben würde.
Elise starrte auf diese Frau, die sie einmal gewesen war, und biss sich auf die Lippen, überwältigt von den Erinnerungen. Von den Gefühlen.
„Weißt du noch, wann ich das Foto gemacht habe?“, fragte Maverick, der plötzlich im Schlafzimmer stand.
Elise schrie auf, sprang vom Schrank weg und schlug sich die Hand aufs Herz. Sie war so erschrocken, weil er sie so unerwartet angesprochen hatte. Aber noch größer als der Schrecken war die Scham darüber, dass er sie dabei erwischt hatte, wie sie auf das Foto von sich starrte. Das in
seiner
Schublade versteckt war. In
seinem
Zimmer.
„Es … es tut mir leid“, sagte sie leise, unfähig, ihm in die Augen zu sehen.
„Was? Dass du schnüffelst?“
Peinlich berührt hielt sie das Gesicht abgewandt und schüttelte den Kopf. „Ich hätte nie … es tut mir wirklich leid. Ich kann mir gut vorstellen, was du jetzt denkst.“
„Du hast meine Frage nicht beantwortet.“
Sie wollte nur noch raus aus diesem Zimmer. „Ich erinnere mich nicht mehr, was du gefragt hast.“
„Ich wollte wissen“, sagte er langsam und bedächtig, „ob du dich daran erinnerst, wann ich das Foto gemacht habe.“
Statt etwas zu sagen, nickte sie.
„Ich habe es die ganzen Jahre über mit mir herumgetragen“, sagte er leise. „Aber dann fing es an
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