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Die Maske des Meisters

Die Maske des Meisters

Titel: Die Maske des Meisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henke Sandra
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Schuhwerk konnte sie besser in den Ort spazieren. Doch alleine die Vorstellung, in der Mittagshitze darin herumzulaufen, brachte sie zum Schwitzen. Turnschuhe im Sommer waren wie kleine Gefängnisse.
    „Freiheit für meine Füße“, scherzte Claire, warf die Sneaker zurück auf den Haufen und griff stattdessen ihre Hare-Krishna-Schuhe. So nannte sie ihre Flip-Flops, deren Fußbett ein Abbild des Elefantengottes Ganesch zierte. Hinduisten waren bestimmt wenig begeistert von diesem Modetrend, trat man doch auf ihrem Gott der Weisheit herum.
    Claire hatte an diesem Morgen lange geschlafen. Nicht, weil sie müde gewesen war, sondern weil sie nachdenken und Todd aus dem Weg gehen wollte.
    Ihr schlechtes Gewissen hatte sie während der Rückfahrt vom Sommerfest gequält. Eigentlich hätte sie ihm beichten müssen, dass sie sich mit Ase getroffen hatte. Aber was wusste sie schon von dem Fremden? Nichts, außer dass er ziemlich gut gebaut war, im doppelten Sinne. Er roch sehr männlich, war sowohl zärtlicher Verführer als auch teuflischer Liebhaber und begann Stück für Stück ihren Körper, aber auch ihr Herz zu erobern.
    Es gab allerdings auch andere Gedanken, die sie bedrückten. Sie hatte kaum noch Geld. Ihre Rücklagen waren langsam aufgebraucht, und sie musste dringend entscheiden, ob sie Oakwood verlassen und sich in einer anderen, größeren Stadt eine neue Existenz aufbauen oder im Hamilton County einen Job suchen wollte.
    Ich kann hier jetzt nicht weg, das war ihr Fazit gewesen.
    Kopfschmerzen hatten sich mit einem leichten Pochen hinter ihren Schläfen angekündigt. Claire hatte eine Schmerztablette genommen und brach nun auf, um im Ort die Oakwood Tribune zu besorgen. Den ganzen Vormittag lang hatte sie im Internet die Stellenanzeigen durchforstet, aber nur Jobangebote gefunden, die weiter weg waren. Eigentlich wäre ihr das durchaus recht gewesen, doch sie hatte kein Auto, und die Busverbindung war schlecht. Sie hoffte, in der Lokalzeitung fündig zu werden. Ihr ging es nicht darum, eine feste Anstellung auf Lebenszeit zu finden, vielmehr plante sie irgendwo zu jobben, bis sie dieses Nest wieder verlassen konnte. Nachdem Ase gefasst war.
    Nein, schrie ihre innere Stimme. Das Gefühlchaos begann erneut. Ihr Magen rumorte.
    Um nicht schon wieder ins Grübeln zu verfallen, packte sie ihre Geldbörse und machte sich auf den Weg. Claire meinte, den Straßenstaub in der Einfahrt zu schmecken, so trocken war der Boden. Zum Glück hatte sie sich von Todd eine Baseballkappe in den Farben der Cincinnati Bengals ausgeliehen, Orange, Rot und Schwarz. Er sammelte Caps, und so, wie sich bei Claire die Schuhe aufschichteten, stapelten sich bei ihrem Bruder die Kappen auf dem Kleiderschrank.
    Die Sonne brannte heiß auf Ohio nieder. Claire hätte bis zum Abend warten könnten, doch ihr war langweilig, und sie musste sich beschäftigen, um mit dem Nachdenken aufzuhören. Außerdem rückte der Moment, an dem sie Todd um Geld bitten musste, näher, weil sie sich bald nicht einmal mehr eine Packung Kaugummi würde leisten können. Das frustrierte sie zutiefst.
    Aufgrund der Mittagshitze fühlte sich die kurze Strecke bis in den Ort an, als würde Claire nach Cincinnati und nicht nach Oakwood gehen. Auf dem Trägershirt bildeten sich unter ihren Achseln Schweißflecken. Es war peinlich, aber nicht zu ändern.
    Andere Menschen schwitzen auch, munterte sie sich auf, aber es half wenig. Sie wettete, dass Melissa es zumindest geschickter verstecken konnte.
    Selbst im Schatten der Eichen, Rotbuchen und Ahornbäume, die die Einfahrt zum Haus vor Wind und neugierigen Blicken von der Landstraße schützten, war es heiß. Es wehte kein Lüftchen und es war drückend. Nicht einmal die Krähen waren zu sehen oder zu hören. Es war still, beinahe unheimlich, alle Tiere hatten sich verkrochen. Und ausgerechnet Claire litt plötzlich an Tatendrang.
    Sie schleppte sich über die Landstraße, ihre Schritte wurden immer langsamer. Erst als sie die ersten Häuser sah, konnte sie sich dazu zwingen, wieder schneller zu gehen. Sie nahm den grünen Seidenschal, den Vali ihr geschenkt und den sie gestern noch gewaschen hatte, wischte sich damit übers Gesicht und verknotete ihn wieder mit einer Gürtellasche ihrer Jeansbermuda. Es war kindisch, aber sie hatte das Bedürfnis, ihn ständig bei sich zu tragen.
    Claire steuerte geradewegs die Tankstelle am Ortseingang an. Bis zum Supermarkt hätte sie es bei der Hitze ohnehin nicht geschafft. Die

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