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Die Maske

Die Maske

Titel: Die Maske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Lenz
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alleinige Entscheidung des Kapitäns gewesen sei. Auf den
Stühlen konnte ich eine widersprüchliche Reaktion beobachten, nickende
Bestätigung, leichtes Kopfschütteln. Solange der Kapitän an Bord war, gab es
keinen Zweifel am Eigentumsrecht des Schiffes, Karsten Klockner wußte es, und
er hatte daran gedacht, als der Hochseeschlepper noch einmal näher kam. Daß er
ein erneutes Hilfsangebot abgelehnt hatte, lag daran, daß er gestürzt war und
nicht auf die Beine kommen konnte, es war ihm lediglich geglückt, sich zu
erkennen zu geben. Während eines abermaligen Gesprächs mit der Reederei hatte
man ihm zu verstehen gegeben, daß von seiner Entscheidung viel abhing und daß
man in Gedanken bei ihm auf der Britta sei und daß man ihm Kraft und Ausdauer wünsche. Eine
Aufforderung, an Bord zu bleiben, war nicht ausgesprochen worden. Über seine
körperliche Verfassung hatte sich der Kapitän nur knapp geäußert: Bei seinem
Sturz hatte er sich eine Prellung der Hüffe zugezogen; die Schmerzen
bezeichnete er als aushaltbar, doch hinderlich.
    In der Dämmerung - die Britta hatte
mehrmals Wasser übergenommen - hatte sich ein Passagierschiff gezeigt, hell
erleuchtet war es in der Ferne vorbeigezogen, der Kapitän stellte fest, daß es
zu keiner Annäherung gekommen war. - Auf die Frage eines Reedereivertreters, ob
er bereit gewesen wäre, die Brücke zu verlassen, wenn sich eine Gelegenheit
geboten hätte, antwortete er: „Ich weiß es nicht“, und fügte hinzu: „Vermutlich.“
Nach mehreren Versuchen war es ihm gelungen, seinen Sitz zu erklimmen, jetzt
wurde er gewahr, daß die Britta keine Positionslichter führte, nur das Mastlicht brannte.
    Man ließ Diering sprechen, Redakteur beim Horizont, den ich
in die erste Reihe gesetzt hatte; er war an Bord der Albatros gewesen
und bestätigte, daß sie auf dem Kutter mit besonderem Auftrag ausgelaufen
waren, mit Kurs auf die Britta. Wie sie erfahren hatten, daß draußen ein Mann an Bord
seines Schiffes geblieben war - eines hilflosen Schiffes, dem vielleicht der
Untergang drohte -, gab er nicht preis, er beschränkte sich darauf, zu
erklären, daß sie in der Redaktion seiner Zeitung beschlossen hatten, dies
Ereignis aus der Nähe zu beobachten, von einem Fischkutter aus, den sie mieten
wollten. Der Besitzer der Albatros hatte sich bereitgefunden hinauszufahren.
    Diering hatte den Einfall gehabt, den Kampf eines
Schiffes zu dokumentieren, in Wort und Bild, und gleichzeitig wollte er von der
Tat eines Mannes berichten, der auf seinem gefährdeten Schiff ausharrte: Die
Photographen auf der Albatros waren bereits tätig, als ihr Ziel - flach,
schwankend - am Horizont auftauchte, für Augenblicke abhanden kam und dann
gewaltsam wieder hochgetragen wurde. Sie konnten bestätigen, daß noch ein Mann
an Bord der Britta war, der gab sich zu erkennen, indem er mit einer Hand
winkte; auf ihn richtete sich das größte Augenmerk. Als der Kutter nah genug
herangekommen war, versuchte er anscheinend, die Brücke zu verlassen, doch es
mißlang ihm, der Mann stürzte, kam aber wieder auf die Beine und wartete wohl
darauf, die entscheidende Kraft zum Überwechseln zu finden. Er lag dicht an der
Reling. Diering gab zu, daß er sich jetzt mit Hilfe eines Megaphons direkt an
Kapitän Klockner wandte, er rief ihm zu: „Wir holen dich hier raus!“ Der
Versicherungsvertreter erkundigte sich, ob dieser Zuruf verstanden wurde, der
Kapitän sagte nur: „Verstanden.“ Bei einbrechender Dunkelheit hatten sie auf
dem Kutter von neuem versucht, dicht an die Britta heranzukommen,
einmal hatte es sie so hart gegen die Bordwand der Britta geworfen,
daß sie beim Zurückstoßen zu kentern drohten.
    Anscheinend hatte der Kapitän damit gerechnet,
übernommen zu werden, er lag jetzt regungslos an Deck, wie erledigt, besiegt;
Diering erkannte es und rief hinauf: „Hallo, Kapitän Klockner, wir sind da,
halten Sie aus!“ Eine Welle schlug aufs Deck, brach sich und drückte den
liegenden Körper gegen eine Entlüftungsklappe. Als hätte Diering einen Zuwachs
an Widerstandskraft erzielen können, rief er dem Erschöpften auch zu: „Viele
sind in Gedanken bei Ihnen, auch die Gedanken unserer Leser! Der Horizont ist bei
Ihnen!“ Der Kapitän war nicht in der Lage, auf diesen Zuruf zu reagieren.
    Diese Erwähnung veranlaßte den Funker, sich an
seine Nachbarn zu wenden, fragend schaute er sie an, offenbar vermutete er, auf
ihren Gesichtern einen Ausdruck der Verblüffung oder der Geringschätzung

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