Die Masken der Niedertracht
willst. Du bist unverbesserlich, Du bist eine Diebin und eine Lügnerin, die ihre Zeit damit zubringt, andere zu beleidigen, das ist das einzige, was Dich interessiert, das einzige, was Du kannst.»
«Aber in diesem Fall beleidige ich Dich doch nicht, ich frage Dich ganz ruhig, ob wir gemeinsam etwas tun können. Es betrifft doch die Kinder!»
«Du hast es noch nicht getan, weil Du noch keine Gelegenheit dazu hattest, aber das wird nicht mehr lange dauern, Du änderst Dich nicht, Du wirst Dich nie ändern, Du bist ein Idiot, ja, ein Idiot, was soll’s, so ist es nun mal, es gibt keinen anderen Ausdruck.»
«Jetzt bist Du es, der mich beleidigt!»
«Ich sage Dir nur die Wahrheit: daß Du nicht fähig bist, auch mal an Dir selbst zu zweifeln. Es kommt nicht in Frage, daß ich Deine Entscheidung akzeptiere. Ich bin absolut nicht einverstanden. Übrigens mißbillige ich die Art und Weise, wie die Kinder erzogen worden sind, ich mißbillige die Leute, die sie erziehen, ich mißbillige die Art, wie sie gekleidet sind.»
«Was immer Du über mich denkst, es geht um unsere Kinder. Was schlägst Du also vor?»
«Ich schlage gar nichts vor, weil es bei Dir nichts vorzuschlagen gibt; nichts wird sich ändern, weil Du Dich nicht änderst Ich denke, es ist wichtig, mit den Leuten zu reden, aber nicht mit Dir, weil Du unverbesserlich bist. Du bist nicht einmal fähig zu begreifen, was Du redest, Du quasselst unaufhörlich dummes Zeug!»
«Aber wir müssen eine Entscheidung treffen für die Kinder!»
«Na, dann wende Dich an Gott, man muß mit seinesgleichen sprechen! Ich habe seine Adresse nicht, weil ich nicht gewohnt bin, mit ihm zu telephonieren. Ich habe Dir nichts mehr zu sagen. Ich werde nachdenken und Dir vielleicht eine Antwort zukommen lassen. Aber das lohnt sowieso nicht, weil es nicht das ist, was Du willst, und Du tust ja immer nur, was Du willst. So wird es jedenfalls nicht gehen!»
«Aber Du weist immer alles im voraus von der Hand!»
«Ja, weil mit Dir nichts funktionieren kann. Und im übrigen will ich nicht mir Dir Diskutieren. Du interessierst mich nicht; was Du zu sagen hast, interessiert mich nicht. Auf Wiedersehen, Madame!»
Da sie merkt, welche Wendung das Gespräch nimmt, zeichnet Eliane alles auf Band auf. Sie glaubt, ihren Ohren nicht trauen zu können und bringt die Bandaufnahme mit in die Therapie. Es gelingt ihr nicht, sich klar zu werden, ob sie verrückt ist, wenn sie da eine derartige Gewalt herausspürt, oder ob Pierre, fünf Jahre nach der Trennung, noch immer dasselbe Verlangen hat, sie zu vernichten.
Eliane hat recht daran getan, das Gespräch auf Band aufzunehmen. Dadurch hat sie Abstand gewonnen. Wie alle Opfer eines solchen Quälens kann sie nicht fassen, daß man sie dermaßen hassen kann, ohne einsichtigen Grund. Man sieht deutlich, daß Pierre jedes Mittel recht ist – Beleidigungen, Sarkasmen –, um die Situation zu blockieren. Er versucht, die Bedeutungslosigkeit Elianes zu zeigen, indem er ihr im voraus die Verantwortung zuschiebt für das Scheitern jeglicher Maßnahme. Gerade dadurch blockiert er jede Veränderung, auch für seine Kinder; und zwar, weil die Veränderung ihn selbst destabilisieren könnte. Was ebenfalls auffällt, ist der Neid. Pierre beneidet Eliane, weil er sich sie auf kindische Art vorstellt in der Allmacht der Mütter (die Kinder tun alles, was Du willst). Eine Mutter, so mächtig, daß sie in der Nähe der Götter wandelt; und wenn er das sagt, dann handelt es sich dabei nicht um eine rhetorische Metapher, sondern um die Äußerung eines Wahns.
Als ich diese heftigen Worte hörte, gesprochen in eisigem Ton, konnte ich Eliane nur zur Vorsicht raten, da ich wußte, daß dieser Haß nie aufhören würde. Es handelt sich um einen selbständigen Vorgang, der, einmal eingeleitet, im Register der wahnhaften Überzeugungen fortbesteht. Vernunft und Einwände werden nichts ändern. Einzig das Gesetz kann die Reichweite der Gewalt begrenzen; denn der narzißtische Perverse hält darauf, einen Schein von Rechtmäßigkeit zu wahren. Selbstverständlich hat eine Tonbandaufzeichnung keinerlei juristischen Wert, weil es untersagt ist, private Unterhaltungen aufzunehmen ohne Einverständnis des Beteiligten. Das ist äußerst bedauerlich; denn die perverse Gewalt äußert sich ganz besonders am Telephon. Ohne Augenzeugen kann der Aggressor seine Lieblingswaffe einsetzen: das Wort, das verletzt, ohne Spuren zu hinterlassen.
Die Verweigerung der unmittelbaren
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