Die Masken der Niedertracht
Kommunikation ist die bevorzugte Waffe der Perversen. Der Partner sieht sich gezwungen, Gesuche einzureichen und Antworten zu geben, und begeht, da er sich ohne Deckung vorwagt, natürlicherweise Irrtümer, die der Aggressor sofort aufgreift, um sein Opfer zum Versager, zu einer Null abzustempeln.
Die Zufluchtnahme zu Einschreibebriefen, die aggressiv sind durch Nichtausgesprochenes oder Andeutungen, ist ein geschickter Kunstgriff, um ohne Spuren zu destabilisieren Ein Außenstehender (Psychologe, Richter) kann anhand dieser Schriftstücke nichts weiter als einen alltäglichen, bissigen Meinungsaustausch zwischen Ex-Gatten vermuten. Nun handelt es sich aber nicht um Austausch, sondern um eine einseitige Aggression, bei der der Angegriffene gehindert wird, Widerstand zu leisten und sich zu verteidigen.
Diese perversen Aggressionen bringen auch die Familien aus dem Gleichgewicht. Die Kinder, die Zeugen, können sich nicht vorstellen, daß diese feindliche Gesinnung unbegründet sein soll. Das Opfer muß notgedrungen etwas damit zu tun haben. In Elianes Fall hat jeder Brief Spannungen oder Aggressivität im Gefolge, obwohl sie ausgezeichnete Beziehungen zu ihren Kindern unterhält: «Es kotzt uns an, daß Du immer schlechte Laune hast, wenn Du ein Einschreiben von Papa bekommst!» Gleichzeitig beobachten sie selbst aufmerksam jede Situation, die geeignet scheint, einen Einschreibebrief nach sich zu ziehen, eine Art Paketbombe, die kommt, um aus der Entfernung Gewalt zu säen. Der Aggressor kann sagen, er habe damit nichts zu tun, er wasche seine Hände in Unschuld. Es sei die Schuld seiner Ex-Frau, die verrückt ist, die weder sich selbst zu beherrschen noch die Kinder zu erziehen vermag.
Im Augenblick der Niederschrift dieses Buches ist die Geschichte von Eliane und Pierre bis hierher gediehen. Aber es ist eine Geschichte ohne Ende; denn ein wahrer Perverser läßt seine Beute nie los. Er ist überzeugt, daß er recht hat, kennt weder Zweifel noch Gewissensbisse. Die Menschen, die einmal zur Zielscheibe geworden sind, müssen auf Dauer untadelig sein, dürfen sich keinen Schnitzer leisten – sonst kommt sofort der nächste perverse Angriff.
Eliane hat lange gebraucht, um zu verstehen, daß diese Situation nicht aus Mißverständnissen nach einer affektgeladenen Trennung entstanden ist, sondern aus einem pathologischen Verhalten Pierres, das bei ihr ein pathologisches Verhalten auslöst. Da es zwischen ihnen keine Möglichkeit eines Dialogs gibt, wurden sie, der eine wie der andere, in einen Teufelskreis hineingerissen, der zerstörerisch ist für alle, auch für die Kinder. In diesem Stadium bedarf es eines Eingreifens von außen, um dem Prozeß Einhalt zu gebieten.
Eliane hat sich über lange Zeit diese Frage gestellt: «Womit bin ich verantwortlich für seine Haltung – mit meinem Verhalten oder mit dem, was ich bin?» Jetzt begreift sie, daß Pierre nur nachahmt, was er selbst in seiner Kindheit durchgemacht, was er in seiner eigenen Familie erlebt hat und daß es auch ihr schwergefallen war, aus der Heilerrolle herauszufinden, die man ihr zugewiesen hatte, als sie Kind war. Pierre, der «unglückliche kleine Junge, den man trösten muß», hatte sie angezogen und fasziniert. Sie sitzt nun gefangen in der Falle eben dessen, was sie bezaubert hatte.
Die seelische Gewalt in den Familien
Die perverse Gewalt in den Familien stellt eine höllische Verwicklung dar, die einzudämmen schwierig ist, weil sie die Neigung hat, sich von einer Generation auf die andere zu übertragen. Man stößt da auf das Kapitel der psychologischen Mißhandlung, die häufig der Wachsamkeit der Umgebung entgeht, aber mehr und mehr Schäden anrichtet.
Bisweilen verkleidet sich diese Mißhandlung als Erziehung. Alice Miller 2 , die von «schwarzer Pädagogik» spricht, hat deutlich die schlimmen Folgen der traditionellen Erziehung aufgezeigt, die zum Zweck hat, den Willen des Kindes zu brechen, um aus ihm ein fügsames und gehorsames Wesen zu machen. Die Kinder können sich nicht widersetzen, denn «die überwältigende Kraft und Autorität des Erwachsenen macht sie stumm, ja beraubt sie oft der Sinne» 3 .
Die internationale Kinderrechtskonvention betrachtet als für Kinder schädliche psychologische Behandlung:
- verbale Gewalt,
- sadistische und abwertende Verhaltensweisen,
- Ablehnung von Gefühlen, Anforderungen, die im Vergleich zum Alter des Kindes übertrieben oder unverhältnismäßig sind,
- widersprüchliche
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