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Die Masken der Niedertracht

Die Masken der Niedertracht

Titel: Die Masken der Niedertracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie-France Hirigoyen
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oder unmögliche Verhaltensmaßregeln und erzieherische Imprägnationen.
    Diese Gewalt, die niemals unschädlich ist, kann mittelbar sein und die Kinder durch indirektes Einwirken oder unangenehme Folgen erreichen, oder aber sie kann ein Kind, das sie aus dem Weg zu räumen trachtet, direkt aufs Korn nehmen.
     
     
    Die mittelbare Gewalt
     
    Diese Gewalt zielt meistens auf den Ehegatten, den sie zu unterdrücken sucht, und wenn das nicht geht, erstreckt sie sich auf die Kinder. Die Kinder werden zu Opfern, weil sie da sind und weil sie sich weigern, die Solidarität mit dem angegriffenen Elternteil aufzugeben. Sie werden angegriffen als Kinder des anderen. Zu Zeugen angerufen in diesem Konflikt, der sie nichts angeht, bekommen sie die ganze Böswilligkeit zu spüren, die für den anderen Elternteil bestimmt ist. Gleichzeitig überschüttet der verletzte Partner, dem es nicht gelingt, sich mit seinem Aggressor auszusprechen, seine Kinder ebenfalls mit all der Aggressivität, die er anderswo nicht hat ablassen können. Angesichts der ständigen Verleumdung des einen Elternteils durch den anderen haben die Kinder keine Wahl, als sich abzusondern. Dabei verlieren sie jede Möglichkeit der Individuation oder die, zu eigenständigem Denken zu finden.
    Jedes von ihnen trägt in der Folge einen Anteil Leid, den es anderswo wieder hervorbringen wird, wenn es keine Lösung in sich selbst findet. Es kommt zu einer Verlagerung des Hasses und der Zerstörungswut. Der Aggressor kann seine Krankhaftigkeit nicht zügeln. Der Haß verlagert sich vom verabscheuten Ex-Ehegatten auf die Kinder, die dann zum zerstörenswerten Ziel werden.
     
    Bis zu ihrer Scheidung hatten Nadias Eltern sich angewöhnt, ihre Kinder gegeneinander aufzuhetzen, wozu sie sich einer heimlichen Gewalt bedienten. In dieser Familie wäscht man seine schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit, aber auf die hinterhältige Art. Die Mutter versteht es besser als irgendwer, sich gehässiger Redensarten und Verdächtigungen zu bedienen. Ihre indirekten giftigen Angriffe hinterlassen Spuren im Gedächtnis der Kinder.
    Seit dem Weggang ihres Mannes lebt sie allein mit ihrer jüngsten Tochter Lea und verdächtigt ihre anderen Kinder, Komplizen ihres Vaters zu sein. Sie fühlt sich als Opfer einer gigantischen Verschwörung, deren Mittelpunkt Lea ist und gleichzeitig auch ein Teil ihrer selbst. Wenn Nadia Lea ein Geburtstagsgeschenk schickt, antwortet ihr die Mutter: «Deine Schwester und ich danken Dir!» Sie teilt Lea ihren Groll und ihr Mißtrauen mit, isoliert sie vom Rest der Familie, bis das Kind sich schließlich entrüstet, daß die Geschwister weiterhin den Vater besuchen.
    Pausenlos beklagt sich diese Mutter über ihre Kinder. Sie macht ein Kompliment und nimmt sogleich zurück, was sie gerade gesagt hatte. Sie spinnt ohne Unterlaß ihr Netz, um allen zu zeigen, daß sie doch Siegerin bleiben wird. Sie errichtet ein System von verborgener Schuldzuschreibung, das je nach Kind mehr oder weniger gut funktioniert.
    Als Nadia ihr zu Weihnachten ein Halstuch schenkt, antwortet sie: «Danke für Dein Halstuch, das mit seiner genau passenden Länge die anderen, die ich schon habe, ergänzt!» Oder aber: «Dein Geschenkt ist bis heute das erste, das ich von meinen Kindern bekommen habe!» Als ihr Schwiegersohn Selbstmord begeht: «Er war ohnehin schwach, es war besser, daß er ging!»
    Nadia glaubt zu träumen, wenn sie ihre Mutter sieht oder hört. Jede Aggression wird wahrgenommen wie unbefugtes Eindringen. Sie spürt, daß sie sich schützen muß, um ihre Unversehrtheit zu wahren. Bei jedem neuen Angriff wächst ihre eigene Gewaltbereitschaft, das Verlangen, ihre Mutter zu Boden zu drücken, damit sie aufhört, allmächtig zu sein und aller Welt Schuldgefühle einzureden. Das führt bei ihr zu Magenschmerzen und Darmkrämpfen. Selbst aus der Entfernung, in Briefen oder Telephongesprächen, verspürt sie einen «teleskopischen Arm», der sie bei sich daheim packt, um ihr weh zu tun.
     
    Was auch immer die Gründe für dieses Verhalten sein mögen, es ist unannehmbar und unentschuldbar, denn die perverse Manipulation verursacht bei Kindern wie Erwachsenen ernsthafte Störungen. Wie soll man vernünftig denken, wenn ein Elternteil sagt, daß man auf eine bestimmte Art und Weise denken müsse, und der andere Elternteil sagt genau das Gegenteil. Wird diese Verwirrung nicht behoben mit Hilfe von Worten, die von gesundem Menschenverstand zeugen und die von anderen

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