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Die Masken der Niedertracht

Die Masken der Niedertracht

Titel: Die Masken der Niedertracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie-France Hirigoyen
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die Schwester oder den Bruder, womit sie Rivalität oder Unstimmigkeiten schürt.
    Von Daniel behauptet sie mit bestürzter Miene, daß er ein Taugenichts sei, daß er es niemals im Leben zu etwas bringen werde. Sie findet bissige und keine Widerrede duldende Worte, mit denen sie ihn anfährt, wenn er eine Ansicht äußert. Im Erwachsenenalter fürchtet Daniel immer noch die Worte, die seine Mutter äußern könnte. Ihr gegenüber weiß er sich nicht zu wehren: «Man kann nicht aggressiv sein gegen seine Mutter!» Er hält sich schadlos in einem immer wiederkehrenden Traum, in dem er sie an den Schultern packt und rüttelt und sie dabei fragt: « Warum bist Du so gemein zu mir?»
     
    Es ist sehr leicht, Kinder zu manipulieren. Diese suchen immer nach Entschuldigungen für die, die sie lieben. Ihre Nachsicht ist grenzenlos, sie sind bereit, ihren Eltern alles zu verzeihen, die Schuld auf sich zu nehmen, zu verstehen, den Versuch zu machen zu begreifen, weshalb einer ihrer Eltern unzufrieden ist. Ein häufig eingesetztes Mittel, um ein Kind zu manipulieren, ist die Erpressung mit Leid.
     
    Céline sagt ihrem Vater, daß sie vergewaltigt worden ist und daß sie Klage eingereicht hat. Da der Täter dank Célines Kaltblütigkeit ergriffen worden ist, wird ein Prozeß stattfinden. Die erste Reaktion des Vaters ist: «Du tätest besser daran, mit Deiner Mutter nicht darüber zu sprechen. Die Arme, sie soll ja nicht noch mehr Sorgen haben!»
    Victoire klagt ohne Unterlaß über Bauchweh, das ihr den Vorwand liefert, einen großen Teil des Tages im Bett zu bleiben und zugleich jedem sexuellen Kontakt mit ihrem Mann aus dem Weg zu gehen. Als Erklärung für seine Einsamkeit sagt sie zu ihrem Sohn: «Du warst ein großes Baby, Du hast mir die Eingeweide zerrissen!»
     
    Der Ehepartner des Aggressors, seinerseits unter dessen Machteinfluß, vermag nur selten, seinen Kindern zu helfen; er vermag nicht, ihr Leiden anzuhören, ohne den anderen zu rechtfertigen, ohne sich zu seinem Anwalt zu machen. Die Kinder nehmen sehr früh die perverse Kommunikation wahr, aber da sie von ihren Eltern abhängig sind, können sie sie nicht beim Namen nennen. Diese Situation wird verschlimmert, wenn der andere Elternteil, im Bestreben, sich zu schützen, weggeht und die Kindern ohne Beistand der Mißachtung oder Ablehnung aussetzt.
     
    Agathes Mutter hat die Angewohnheit, ihre Kinder für all ihre Mißgeschicke verantwortlich zu machen. Gleichzeitig wäscht sie sich rein und löscht jede Spur von Schuld. Sie sagt die Dinge auf ruhige Art, und es ist, als wäre die Aggression einzig die Frucht der Einbildung der Kinder. Nichts wird ausgesprochen in diesem Familienmagma: «Aber nein, es war doch gar nichts, Du bist es, der sich das alles einbildet!»
    Die Gewaltakte verschwinden aus dem Gedächtnis, es bleibt nur eine unbestimmte Erinnerung. Wenn die Dinge gesagt werden, geschieht das niemals direkt. Agathes Mutter gibt sich keine Mühe zu sprechen, sie weicht geschickt aus. Sie überredet ihre Kinder ihr beizupflichten, wenn sie sich über ihren Mann beschwert, der sie verlassen hat. Agathe ist destabilisiert und deshalb im Zweifel darüber, was sie selbst empfindet.
    Die Kinder wissen, daß ihre Mutter eine Schachtel voller Photos aus ihrer frühen Kindheit unter ihrem Bett verwahrt. Sie hatte behauptet, sie weggeworfen zu haben. Eines Tages wagt Agathe zu fragen, was aus dieser Schachtel geworden sei. Von dieser Schachtel zu sprechen, ist ein Versuch, dem beherrschenden Einfluß zu entkommen, die von ihrer Mutter aufgezwungenen Wahrheiten in Zweifel zu ziehen. Diese antwortet: «Ich weiß nicht, ich werde nachschauen ...vielleicht!»
    Agathe fühlt sich als Waise. Sie hat zwei Menschen, die ihre Eltern sind, aber mit denen sich nichts abspielt. Sie kennt keine liebevolle Schulter, an der sie sich ausruhen konnte. Sie muß sich ununterbrochen schützen vor zukünftigen Schlägen und deshalb sich ständig rechtfertigen.
     
     
    Die unmittelbare Gewalt
     
    Die unmittelbare Gewalt ist das Kennzeichen einer bewußten oder unbewußten Ablehnung des Kindes durch einen Elternteil. Dieser rechtfertigt sich, indem er erklärt, daß er im Interesse des Kindes handle, zu einem erzieherischen Zweck. Aber die Realität ist, daß dieses Kind ihn einengt und er sein Inneres zerstören muß, um sich zu schützen.
    Niemand außer dem Opfer kann es wahrnehmen, aber die Zerstörung ist real. Das Kind ist unglücklich, aber es gibt objektiv nichts, worüber es

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