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Die Masken der Niedertracht

Die Masken der Niedertracht

Titel: Die Masken der Niedertracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie-France Hirigoyen
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imstande, an einem Tag einen Gesichtspunkt vorzutragen und am nächsten Tag die entgegengesetzte Meinung zu vertreten, nur um eben mal die Diskussion wieder in Gang kommen zu lassen oder um – absichtlich – Anstoß zu erregen. Wenn der Partner nicht hinreichend reagiert, wird die Provokation ein wenig gesteigert. Der Partner, Opfer dieser Gewalt, reagiert nicht, weil er dazu neigt, den anderen zu entschuldigen, aber auch, weil die Gewalt sich so hinterhältig einnistet. Ein solches gewaltsames Verhalten könnte – würde es plötzlich eintreten – nur Zorn auslösen. Aber die Art, wie die Gewalt sich fortschreitend nach und nach einstellt, entschärft jeden Widerstand. Das Opfer erkennt die Aggressivität der Botschaft erst, wenn sie schon fast zur Gewohnheit geworden ist.
    Die Ausführungen des narzißtischen Perversen finden Zuhörer, die er zu fesseln vermag und die ohne Gespür sind für die Demütigung, die das Opfer erleidet. Nicht selten bittet der Aggressor die Umstehenden, wohl oder übel mitzuwirken an seinem «Abbruchunternehmen». Kurz, um den anderen zu destabilisieren, genügt es:
     
    • # sich über seine Überzeugungen, seine politische Meinung, seine Vorlieben lustig zu machen,
    • # das Wort nicht mehr an ihn zu richten,
    • # ihn in der Öffentlichkeit lächerlich zu machen,
    • # ihn vor den anderen anzuschwärzen,
    • # ihn aller Möglichkeiten zu berauben, sich zu äußern,
    • # sich lustig zu machen über seine Schwachstellen,
    • # abfällige Andeutungen zu machen, ohne sie je zu erklären,
    • # seine Urteils- und Entscheidungsfähigkeit in Zweifel zu ziehen.
     
     
    Vom Paradox Gebrauch machen
     
    Sunzi lehrt ebenfalls, daß man, um einen Krieg zu gewinnen, die feindliche Armee spalten müsse, noch bevor man die Schlacht beginnt: «Sucht siegreich zu sein, ohne Schlachten zu liefern (...). Bevor sie kämpften, versuchten sie [die Ahnen], die Zuversicht des Feindes zu schwächen, indem sie ihn demütigten, indem sie ihn kränkten, indem sie seine Kräfte schweren Prüfungen unterzogen (...). Bestecht all das, was das Beste bei ihm ist, durch Angebote, Geschenke, Versprechungen, untergrabt sein Selbstvertrauen, indem ihr seine tüchtigsten Männer zu schändlichen und gemeinen Taten anspornt, und versäumt nicht, das unter die Leute zu bringen.»
    Bei einer perversen Aggression geht es um den Versuch, den anderen zu erschüttern, ihn zweifeln zu lassen an seinen Überzeugungen, seinen Empfindungen. Das Opfer verliert dabei das Bewußtsein seiner Identität. Es kann nicht denken, nicht verstehen. Das Ziel ist, es zu negieren und es dabei zugleich zu lähmen, damit das Auftreten eines Konflikts vermieden wird. Man kann es angreifen, ohne es zu verlieren. Es bleibt zur Verfügung.
    Dies geschieht unter doppeltem Druck: Etwas wird gesagt auf verbaler Ebene, und das Gegenteil wird ausgedrückt auf der nichtverbalen Ebene. Die paradoxe Äußerung besteht aus einer ausdrücklichen Botschaft und einem Hintergedanken, dessen Existenz der Aggressor abstreitet. Ein äußerst wirkungsvolles Mittel, den anderen zu destabilisieren!
    Eine Form der paradoxen Botschaft besteht darin, Zweifel über mehr oder minder unbedeutende Vorkommnisse des täglichen Lebens auszustreuen. Der Partner wird am Ende wankend gemacht und weiß nicht mehr, wer recht hat und wer unrecht. Es genügt zum Beispiel zu sagen, man sei einverstanden mit einem Vorschlag des anderen, und zugleich dabei durch Mienenspiel zu zeigen, daß das nur eine Scheinübereinstimmung ist.
    Etwas wird gesagt, das unverzüglich heruntergespielt wird, aber eine Spur bleibt, in Form von Zweifel: «Hat er das sagen wollen, oder interpretiere ich alles falsch?» Wenn das Opfer versucht, von seinen Zweifeln zu sprechen, wird es als Paranoiker abgestempelt, der alles falsch versteht.
    Die Paradoxie ergibt sich meistens aus dem Abstand zwischen dem Gesprochenen und dem Ton, in dem dies geäußert wurde. Dieser Abstand veranlaßt die Zeugen, die Tragweite des Dialogs völlig falsch einzuschätzen.
    Die Paradoxie besteht ebenfalls darin, den anderen Spannung und Feindseligkeit spüren zu lassen, ohne daß etwas ihn Betreffendes ausgesprochen worden wäre. Es sind indirekte Aggressionen, wo der Perverse Objekten die Schuld gibt. Er kann Türen zuschlagen, Gegenstände herumschmeißen und dann die Aggression abstreiten.
    Eine paradoxe Rede macht den anderen ratlos. Da er nicht ganz sicher ist, was er empfindet, neigt er dazu, seine Haltung zu

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