Die Masken der Niedertracht
Tränen ausbrach. Er bewies in diesem Augenblick nicht die geringste Gemütsregung, wandte sich ihr nicht zu.
Die Zuschauer sollten ihre Meinung äußern. Selbstverständlich protestierten die anwesenden Frauen gegen die Haltung des Mannes, einige gaben der jungen Frau Ratschläge, wie sie ihr Äußeres verbessern könne; aber der größte Teil der Männer zeigte sich nachsichtig, fügte sogar noch ein paar neue kritische Bemerkungen zum Aussehen dieses armen Mädchens hinzu.
Die Psychologin vom Dienst erklärte dem Publikum, es genüge doch, Sherry anzusehen, um zu erkennen, daß sie niemals Cindy Crawford geglichen habe, aber Bob habe sie trotzdem genug geliebt, um Lust zu verspüren, ihr ein Kind zu machen. Niemand stellte sich Fragen über das Entgegenkommen der Zuschauer und der Organisatoren, noch über die Demütigung, die die Frau erlitten hatte.
Spott besteht darin, sich lustig zu machen über alles und jeden. Die Stetigkeit dieser Haltung läßt das Mißtrauen einschlafen – das ist eben auch eine mögliche Lebensart aber sie schafft eine unangenehme Atmosphäre und führt zu einer Form von Kommunikation, die niemals ernsthaft ist.
Bosheiten (Wahrheiten, die weh tun) oder Verleumdungen (Lügen) entspringen oft dem Neid. So kommt es, daß:
• # ein hübsches Mädchen, das mit einem älteren Mann ausgeht, eine Hure ist;
• # eine anspruchsvolle Frau zu einer im Bett zu kurz gekommenen wird;
• # eine berühmte Filmschauspielerin zwangsläufig mit der ganzen Regierung geschlafen hat, um Karriere zu machen;
• # eine Kollegin, die Erfolg hat, dies der «Schlafcouchbeförderung» verdankt.
Denn meistens sind es die Frauen, die, auf dem Weg über ihr Geschlecht, von diesen Angriffen betroffen sind.
Wer sich des Spotts bedient, begibt sich in die Position dessen, von dem man glaubt, er wisse Bescheid. Er hat folglich das Recht, sich über jemanden oder über etwas lustig zu machen, er macht seinen Gesprächspartner zum Verbündeten.
Das Vorgehen kann direkt sein: «Aber hör mal, weißt Du denn nicht, daß ...!» oder indirekt: «Hast Du gesehen, wie der oder die sich benommen hat...?»
Nicht selten nimmt das Opfer die Kritik des Perversen an seiner Umgebung wörtlich und glaubt am Ende sogar, sie sei berechtigt.
Die Sarkasmen und die bitteren Bemerkungen werden hingenommen als der Preis, den es kostet, eine Beziehung mit einem bezaubernden, aber schwierigen Partner aufrechtzuerhalten.
Um den Kopf über Wasser zu halten, muß der Perverse den anderen untertauchen. Zu diesem Zweck geht er mittels destabilisierender kleiner Seitenhiebe zu Werke, mit Vorliebe in der Öffentlichkeit, ausgehend von einer unbedeutenden, manchmal intimen Angelegenheit, die er übertrieben ausmalt, wobei er bisweilen einen der Anwesenden als Verbündeten wählt.
Worauf es ankommt, ist die Verwirrung des anderen. Man nimmt die Feindseligkeit zwar wahr, ist sich aber nicht sicher, ob es sich nicht doch nur um einen Scherz handelt. Der Perverse scheint zu necken, in Wirklichkeit spricht er Schwachpunkte an: «dicke Nase», «flache Brüste», Schwierigkeit, sich auszudrücken ...
Die Aggression geschieht ohne großes Aufsehen, durch Anspielungen, Andeutungen, ohne daß man sagen könnte, in welchem Augenblick sie begonnen hat und ob es wirklich eine ist. Der Angreifer setzt seinen guten Ruf nicht aufs Spiel, häufig stellt er sogar die Situation auf den Kopf und weist auf die aggressiven Wünsche seines Opfers hin: «Wenn Du meinst, ich greife Dich an, dann beweist das, daß Du selbst aggressiv bist!»
Wie wir bei den klinischen Fällen gesehen haben, besteht eine übliche perverse Methode darin, den anderen mit einem lächerlichen Spitznamen auszustaffieren, der sich auf einen Mangel, eine Schwierigkeit stützt: die Dicke, der Homo, der fette Faulpelz, der Waschlappen . .. Diese Spitznamen werden oft, selbst wenn sie verletzend sind, zustimmend aufgenommen von der Umgebung, die ja mitspielen soll und auch darüber lacht.
All diese unerfreulichen Bemerkungen bewirken Verletzungen, die durch Zeichen von Freundlichkeit nicht ausgeglichen werden. Der Schmerz, den das verursacht, wird vom Partner umgelenkt und in Spott verkehrt.
In diesen verbalen Aggressionen, in diesen Spötteleien, diesem Zynismus steckt auch ein spielerisches Element: Spaß an der Polemik; Spaß daran, den anderen dazu zu drängen, daß er sich widersetzt. Der narzißtische Perverse, wir haben es bereits gesagt, liebt die Kontroverse. Er ist
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