Die Masken der Niedertracht
karikieren oder sich zu rechtfertigen.
Die paradoxen Botschaften sind nicht leicht zu orten. Ihr Zweck ist es, den anderen zu destabilisieren, indem sie ihn derartig verwirren, daß man die Kontrolle behält; indem man ihn in sich widersprechenden Gefühlen fängt. Man versetzt ihn in eine heikle Lage und vergewissert sich, daß man ihm unrecht geben kann. Wir haben es gesagt: Der Zweck all dessen ist es, die Gefühle und das Verhalten des anderen zu kontrollieren und es sogar so einzurichten, daß er am Ende zustimmt und sich selbst herabsetzt, mit dem Ziel, ihn zu beherrschen.
Die Partner der Perversen entscheiden sich meistens aus Versöhnlichkeit, alles, was gesagt wird, in einem buchstäblichen Sinn zu verstehen, und sie verdrängen die widersprechenden nichtverbalen Signale: «Wenn ich drohe fortzugehen, sagt mir mein Mann, daß er an unserer Beziehung hängt. Selbst wenn er verletzend, demütigend ist, muß das ja irgendwie wahr sein!»
Im Unterschied zu einem normalen Konflikt gibt es keinen wirklichen Kampf mit einem narzißtischen Perversen, aber auch keine Versöhnung. Er hebt niemals die Stimme, legt nur kalte Feindseligkeit an den Tag, die er abstreitet, wenn man eine Bemerkung dazu macht. Der andere erregt sich oder schreit. Dann ist es leicht, sich über seinen Zorn lustig zu machen und ihn ins Lächerliche zu ziehen.
Selbst in diesen Fällen eines anscheinend offenen Konflikts wird der Grund der Uneinigkeit nie wirklich genannt, weil das Opfer nie weiß, woran es ist. Es fühlt sich immer als jemand, der alles verkehrt macht, und häuft in sich Groll an. Wie undeutliche Eindrücke benennen, Ahnungen, Gefühle? Nichts ist jemals konkret.
Wenn diese destabilisierenden Techniken auch von jedermann angewendet werden können – der Perverse tut es systematisch und ohne irgendeinen Ausgleich oder eine Entschuldigung.
Indem er jede Kommunikation durch paradoxe Botschaften blockiert, macht der narzißtische Perverse es dem anderen unmöglich, angemessene Antworten zu geben, da er die Situation nun einmal nicht versteht. Er reibt sich damit auf, Lösungen auszudenken, die in jedem Falle ungeeignet sind, und er versinkt notgedrungen in Angst oder Depression, wie groß seine Widerstandskraft auch sein mag.
Beim Paar entspricht dieser Typus von Kommunikation einem inneren Zusammenhalt und führt eine Zeitlang zu einer gewissen Stabilität. Mit dem Ziel, die Homeostasie zu wahren, wird alles, was das Paar entzweien könnte, von beiden Seiten zurückgewiesen; dies führt zwar zu einer Stabilität durch Leid, wahrt aber immerhin die Festigkeit der Beziehung. In anderen Situationen hat das Opfer keine andere Wahl als zu dulden.
Die perverse Kommunikation besteht oft aus subtilen Botschaften, die nicht sofort als aggressiv oder zerstörerisch wahrgenommen werden, weil andere Botschaften, zur selben Zeit ausgesandt, sie verwischen. Sehr häufig gelingt es erst, sie zu entschlüsseln, wenn der Empfänger dem beherrschenden Einfluß entkommen ist.
Erst als sie sie als Erwachsene wiederfand, erfaßte sie die Zweideutigkeit der Postkarten, die der Stiefvater ihr geschickt hatte, als sie ein junges Mädchen war. Es handelte sich um nackte Frauen am Strand. Auf der Rückseite schrieb der Stiefvater: «Ich denke viel an Dich!» Seinerzeit hatte sie darin ein Zeichen der Aufmerksamkeit gesehen, und trotzdem war sie in Zorn geraten. Dieses Sichbewußtwerden erlaubte ihr nun, auch andere Botschaften zu entschlüsseln, die sie damals nicht verstanden hatte, die ihr aber Unbehagen bereitet hatten, wie auf ihre Brüste gerichtete Blicke oder schlüpfrige Scherze.
Diese Illustration des Begriffs der «Inzesthaftigkeit» (L`incestualité), wie Racamier ihn definiert hat, zeigt, wie unscharf die Grenze ist zwischen seelischer Perversion und sexueller Perversion. In beiden Fällen benützt man den anderen als ein Objekt. Die «Entgeistigung» (démentalisation) entwertet ein Individuum und würdigt es herab, greift aber über auf die Umgebung, die nicht mehr weiß, wer was getan und wer was gesagt hat. Über die «angepeilte» Person hinaus, die man lähmen muß, damit sie den Mund hält, gerät die ganze Familie oder die berufliche Umgebung oder der Bekanntenkreis in einen Zustand großer Verwirrung.
Ein anderer gemeinsamer Punkt: eine Verlagerung der Schuld. Dank einem Phänomen der Übertragung wird die gesamte Schuld dem Opfer aufgebürdet, das sie auch übernimmt. Es vollzieht sich eine Introjektion der Schuld
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