Die Masken der Niedertracht
Reinheit Desdemonas erregten sein Mißfallen und reizten ihn, diese Tugend, diese Schönheit zu zerstören («So zeigt sein Leben täglich eine Schönheit, die mich verhäßlicht»). Das ist Lust an der Niedertracht, die Gier, ausgeklügelte Machenschaften anzuzetteln und mit Intelligenz zum Erfolg zu führen!
Die Eifersucht beim anderen anzustacheln, ist für den Perversen auch nur ein Mittel, um nicht ins Schußfeld von Zorn und Haß zu geraten. Das ist etwas, was sich zwischen dem Partner und dessen Rivalen abspielt. Er, der Perverse, zählt die Punkte. Er macht sich die Hände nicht schmutzig. Indem er den anderen zur Eifersucht verführt, zieht er, der im Grunde nur ein Neider ist, ihn auf die gleiche Ebene herab: «Du und ich, wir sind gleich!»
Wir haben gesehen, daß das Opfer nicht wagt, seinen perversen Partner unmittelbar anzugreifen. Sich auf das Feld der Eifersucht zu begeben, ist wieder eine Form, ihn weiterhin zu schützen, indem man es vermeidet, ihm die Stirn zu bieten. Es fällt leichter, einem Dritten zu trotzen, den der Perverse als Bollwerk, aber auch als Beute vorschiebt.
Seine Herrschaft aufzwingen
Man begegnet hier einer Folgerichtigkeit des Machtmißbrauchs, bei dem der Stärkere den anderen unterwirft. «Die Machtergreifung» geschieht durch das Wort. Es geht darum, den Eindruck erwecken, mehr zu wissen, eine Wahrheit zu besitzen, «die» Wahrheit. Die Rede des Perversen ist ein allumfassender Diskurs, der Behauptungen formuliert, die universal gültig scheinen. Der Perverse «weiß», er hat recht, er versucht, den anderen auf sein Terrain zu ziehen, indem er ihn dazu bringt, ihm zuzustimmen. Er sagt nicht: «Ich mag den Soundso nicht!» sondern «Der Soundso ist ein Arschloch. Das weiß doch jeder, und es ist unmöglich, daß Du es nicht auch denkst!»
Danach stellt sich eine Verallgemeinerung ein, die darauf beruht, daß diese Äußerung Allgemeingültigkeit erlangt. Der Gesprächspartner sagt sich: «Er muß recht haben, er scheint zu wissen, wovon er spricht!» Damit ziehen die narzißtischen Perversen Partner an, die ihrer selbst nicht sicher sind, die dazu neigen zu glauben, daß die anderen es besser wissen. Die Perversen verleihen schwächeren Partnern vollkommene Sicherheit.
Diese sich selbst genügenden Reden, bei denen alles im voraus entschieden ist, sind in Ansatz und Methode dem paranoischen Deutungswahn nicht unähnlich. Ein Paranoiker muß an jedem etwas auszusetzen finden, selbst wenn die Anlässe seiner Verleumdungen völlig zufällig sind; bisweilen sind sie geknüpft an eine Möglichkeit, die der andere ihm bietet, doch meist an den Zufall der äußeren Umstände.
Ein Prozeß der Beherrschung nimmt seinen Lauf: Das Opfer unterwirft sich, es wird unterjocht, überwacht, manipuliert. Wenn es rebelliert, wird man seine Aggressivität und seine Bosheit anprangern. Auf jeden Fall kommt ein totalitärer Ablauf in Gang, begründet auf Angst und darauf gerichtet, passiven Gehorsam zu erreichen: Der andere muß sich benehmen, wie der Perverse es erwartet; er muß denken nach dessen Regeln. Keinerlei kritisches Denken ist mehr möglich. Der andere ist nur noch in dem Maße vorhanden, als er in der Stellung eines Doppelgängers verharrt, die ihm zugewiesen ist. Es geht darum, jeden Unterschied auszulöschen, ihn zu leugnen.
Der Aggressor schafft dieses Verhältnis der Beeinflussung nur zu seinem Vorteil und auf Kosten der Interessen des anderen. Die Beziehung zum anderen ist eine Beziehung in Abhängigkeit – Abhängigkeit, die dem Opfer zugeschrieben wird, die aber der Perverse entwirft. Jedesmal, wenn der narzißtische Perverse Bedürfnisse nach eigener Abhängigkeit äußert, richtet er es so ein, daß man ihn nicht zufriedenstellen kann: sei es, daß das Verlangen die Fähigkeiten des anderen übersteigt und der Perverse das ausnutzt, um sein Unvermögen zu brandmarken; sei es, daß das Verlangen in einem Augenblick vorgebracht wird, wo man ihm nicht entsprechen kann.
Er sucht die Ablehnung, weil es ihn beruhigt zu sehen, daß das Leben für ihn genau so ist, wie er es immer schon wußte.
Die perverse Gewalt ist zu unterscheiden vom unmittelbaren Machtmißbrauch oder der Tyrannei. Die Tyrannei ist eine Form, Macht durch Zwang zu erlangen. Die Unterdrückung ist greifbar. Der eine unterwirft sich, weil der andere unverhohlen die Macht hat. Beim unmittelbaren Machtmißbrauch geht es ums Beherrschen, um Dominanz.
Ein Beispiel direkten Machtmißbrauchs gibt
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