Die Masken der Niedertracht
drängen, daß es gegen ihn vorgeht, um es dann als «bösartig» anzuschwärzen. Worauf es ankommt, ist, daß das Opfer als verantwortlich erscheint für das, was ihm zustößt. Der Aggressor bedient sich einer Schwachstelle des anderen – einer Neigung zu Depression, Hysterie oder cholerischen Ausbrüchen –, um ihn zum Zerrbild werden zu lassen und ihn dahin zu bringen, daß er sich selbst diskreditiert. Den anderen zu einem Fehler zu treiben, berechtigt, ihn zu tadeln oder herabzusetzen, aber vor allem verschafft ihm das ein schlechtes Selbstbild und verstärkt so sein Schuldgefühl.
Wenn das Opfer nicht genügend Selbstkontrolle hat, so reicht es aus, Provokation und Mißachtung zu erhöhen, um eine Reaktion zu erreichen, die man ihm anschließend vorwerfen kann. Besteht die Reaktion zum Beispiel in Zorn, so richtet man es so ein, daß dieses aggressive Verhalten von allen bemerkt wird, so daß selbst ein Außenstehender sich veranlaßt fühlen könnte, die Polizei zu rufen. Es gibt sogar Perverse, die den anderen zum Selbstmord verleiten: «Mein armes Kind, Du hast nichts zu erhoffen vom Leben, ich verstehe nicht, weshalb Du nicht längst aus dem Fenster gesprungen bist!» Danach ist es leicht für den Aggressor, als Opfer eines Geisteskranken aufzutreten.
Angesichts eines Menschen, der alles lähmt, fühlt sich das Opfer in die Enge getrieben und muß handeln. Aber da es durch den beherrschenden Einfluß gehemmt ist, kann es das nicht, außer in einem gewaltsamen Ausbruch, um seine Freiheit wiederzufinden. Ein Außenstehender deutet jede impulsive Handlung, insbesondere, wenn sie gewaltsam ist, als pathologisch. Derjenige, der auf die Provokation reagiert, erscheint als verantwortlich für die Krise. Schuldig in den Augen des Perversen, scheint das Opfer für die Außenstehenden der Aggressor zu sein. Was diese nicht sehen, ist, daß das Opfer in die Ecke gedrängt worden ist, wo es auf keinen Modus vivendi mehr Rücksicht nehmen kann, der ja für das Opfer eine Falle ist. Es steckt in der Zwickmühle und kann sich, was es auch tun mag, nicht befreien: Wenn es widersteht, ist es der Urheber des Konflikts. Wenn es nicht widersteht, läßt es zu, daß die demütigende Zerstörung sich fortsetzt und ausbreitet.
Dem narzißtischen Perversen bereitet es um so mehr Vergnügen, die Schwäche des anderen anzupeilen oder seine Gewalttätigkeit auszulösen, als das Opfer sich damit ja selbst desavouiert. Nun kann es wirklich nicht mehr stolz auf sich sein. Eine solche punktuelle Reaktion genügt, um ihm das Etikett Choleriker oder Alkoholiker oder Selbstmordkandidat anzuheften. Das Opfer fühlt sich entwaffnet, sucht sich zu rechtfertigen, als sei es tatsächlich schuldig. Das Vergnügen des Perversen ist ein doppeltes: beim Irreführen oder Demütigen des Opfers; und dann, wenn es immer wieder die Erinnerung an die Demütigung wachruft. Das Opfer trägt schwer daran, während der narzißtische Perverse seinen Vorteil aus der Situation zieht, indem er – ohne es zu sagen – darauf achtet, selbst als Opfer aufzutreten.
Da nichts gesagt wurde, da keinerlei Vorwurf erhoben wurde, ist keinerlei Rechtfertigung möglich. Um einen Ausweg aus dieser unmöglichen Situation zu finden, kann das Opfer versucht sein, sich selbst des Nichtausgesprochenen und der Manipulation zu bedienen. Die Beziehung wird zweideutig: Wer ist der Aggressor, wer ist der Angegriffene?
Das Wunschbild des Perversen ist, daß der andere «böse» wird, was seine eigene Boshaftigkeit in den Normalzustand verwandeln würde. Er versucht, dem anderen das zu injizieren, was in ihm selbst an Bosheit ist. Verderben ist das oberste Ziel! Es gibt keine größere Genugtuung, als wenn er das Objekt seines Angriffs dazu verführt, seinerseits zerstörerisch zu werden, oder wenn er gar mehrere Menschen dazu bringt, aufeinander loszugehen, sich gegenseitig zu zerfleischen.
Alle Perversen, sexuelle oder narzißtische, suchen die anderen in ihr Aktionsfeld zu ziehen und sie dann zu verleiten, die Regeln umzukehren. Ihre Zerstörungskraft hängt stark von der Propaganda ab, mit der sie ihrer Umgebung beweisen, wie «böse» der Angegriffene doch ist! Daß es also normal ist, ihm die Schuld zu geben! Manchmal haben sie Erfolg und schaffen sich Verbündete, die sie aus ihren Grenzen herauslocken durch Äußerungen voller Spott und Mißachtung aller moralischen Werte.
Die anderen nicht mitzureißen auf das Feld der Gewalt, ist für den Perversen eine Schlappe; es
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