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Die Masken der Niedertracht

Die Masken der Niedertracht

Titel: Die Masken der Niedertracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie-France Hirigoyen
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Konstellation: Der eine weist jede Schuld zurück, der andere hat eine natürliche Neigung, sich schuldig zu fühlen.
    Damit das Spiel sich lohnt, muß das Opfer ihm «gewachsen» sein, das heißt, daß es in der ersten Zeit zu widerstehen weiß, um letztlich doch nachzugeben.
     
     
    Seine Durchsichtigkeit
     
    Die Opfer erscheinen als naiv, leichtgläubig. Sie können sich nicht vorstellen, daß der andere von Grund auf Zerstörer ist, und versuchen, logische Erklärungen zu finden; sie trachten danach, Mißverständnisse zu vermeiden: «Wenn ich es ihm erkläre, wird er verstehen und sich für sein Benehmen entschuldigen!» Für einen Nicht-Perversen ist es nicht möglich, sich ohne weiteres soviel Manipulation und Böswilligkeit vorzustellen.
    Um sich von ihrem Aggressor freizuspielen, möchten die Opfer «transparent» erscheinen. Sie versuchen sich zu rechtfertigen. Wenn eine «durchsichtige» Person sich einem Mißtrauischen gegenüber öffnet, ist es wahrscheinlich, daß der Mißtrauische die Macht ergreifen wird. All die Schlüssel, die die Opfer so ihrem Aggressor übergeben, steigern nur die Geringschätzung, die er ihnen bezeigt. Angesichts des perversen Angriffs geben die Opfer sich zunächst verständnisvoll und versuchen, sich anzupassen. Sie verstehen oder verzeihen, weil sie lieben oder bewundern: «Wenn er so ist, dann doch nur, weil er unglücklich ist. Ich werde ihm Mut machen, ich werde ihn heilen.» Wie aus mütterlichem Beschützerinstinkt überlegen sie sich, daß sie ihm helfen müssen, weil sie die einzigen sind, die ihn verstehen. Sie wollen den anderen wieder «auffüllen», indem sie ihm von ihrer Substanz geben. Mitunter fühlen sie sich sogar mit einer Mission betraut. Sie glauben, alles verstehen, alles vergeben, alles rechtfertigen zu können. Überzeugt, sie würden im Gespräch eine Lösung finden, gestatten sie dem Perversen, der jeden Dialog verweigert, sie mattzusetzen, wie es besser nicht geht. Die Opfer nähren die Hoffnung, der andere werde sich ändern, er werde das Leid begreifen, das er zufügt, er werde bereuen. Sie hoffen immer, daß ihre Erklärungen oder Rechtfertigungen die Mißverständnisse beheben werden, und weigern sich zu sehen, daß man nicht alles ertragen muß, weil man verstandes- und gefühlsmäßig versteht.
    Während die narzißtischen Perversen an ihre Starrköpfigkeit gefesselt sind, versuchen die Opfer, sich anzupassen; sie versuchen zu verstehen, was ihr Peiniger, bewußt oder unbewußt, will, und suchen dabei nach ihrem eigenen Anteil an Schuld. Die Manipulation gelingt um so besser, wenn die Bezugsperson eine Person ist, der das Opfer sein Vertrauen geschenkt hat (Vater oder Mutter, Ehegatte, Chef). Das Verzeihen der Opfer oder das Fehlen von Groll versetzt sie in eine Machtposition. Das ist unerträglich für den Aggressor; denn das zeigt den Verzicht seines Opfers an: «Ich will nicht mehr mit Dir spielen!» Der Aggressor ist frustriert. Sein Opfer wird zum lebendigen Vorwurf, was ihn nur dazu bringen kann, es noch mehr zu hassen.
    Es scheint, daß man diese Verwundbarkeit durch den beherrschenden Einfluß schon in der Kindheit erwerben kann. Man fragt sich oft, weshalb die Opfer nicht widerstehen. Wir sehen ihr Leiden, ihren Verzicht auf eigenes Leben. Dennoch bleiben sie da und fürchten sogar, im Stich gelassen zu werden. Wir wissen, daß ihr Weggehen ihr Schutz wäre, aber sie können das nicht tun, solange sie sich nicht von ihren Kindheitstraumata gelöst haben.
    Alice Miller 36 hat gezeigt, daß eine repressive Erziehung, die das Ziel hat, das Kind «zu seinem Besten» in die Knie zu zwingen, tatsächlich seinen Willen bricht und es dahin bringt, seine wahren Gefühle, seine Kreativität, seine Empfindsamkeit, seine Revolte zu unterdrücken. Diese Art von Erziehung macht empfänglich für jede neue Abhängigkeit, sei es individuell gegenüber einem narzißtischen Perversen oder kollektiv in einer Sekte oder einer totalitären politischen Partei. Auf diese Art in der Kindheit vorbereitet, läßt sich ein Individuum im Erwachsenenalter manipulieren.
    Wer in einem repressiven oder inzesthaften Milieu sich eine Möglichkeit bewahren konnte, mit Worten oder Wut den Quälereien und Demütigungen zu widerstehen, wird im Erwachsenenalter sich besser zu schützen wissen angesichts eines narzißtischen Perversen.
    Die Opfer verstehen, aber gleichzeitig «sehen» sie. Sie besitzen eine Hyperhellsichtigkeit, die sie dazu führt, die Anfälligkeit, die

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