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Die Masken der Wahrheit

Die Masken der Wahrheit

Titel: Die Masken der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Unsworth
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den breiten blauen und silbernen Streifen. Doch das wirklich Sonderbare an dem Ritter war das viereckige Stück Seide über seinem Kopf, das ich für den Flammenatem gehalten und das mir einen solchen Schrecken eingejagt hatte, daß mir das Herz noch immer heftig gegen die Rippen pochte. Das Seidenviereck schien eigens für diesen Ritter gefertigt worden zu sein; es ruhte auf Stangen, welche in Laschen steckten, die am Bauchgurt des Pferdes befestigt waren, zwei vorn und zwei hinten, und sein vorderer Rand hing in Fransen herunter, so daß der Ritter weitgehend vor dem Schnee geschützt war, den der Wind ihm ins Gesicht wehte. Die Seide war dunkel von Nässe und warf einen rötlichen Schatten, und innerhalb dieses Schattens saß der Ritter aufrecht auf seinem Roß, prächtig gewandet wie für einen Besuch – er trug ein Barett aus rotem Samt und einen ärmellosen roten Überrock, wie sie zur Zeit in Mode sind, welcher vorn offen stand, so daß man die hochgeschlossene weiße Hemdbluse sehen konnte. Der Mann war jung, und sein Antlitz war ruhig unter seiner schmucken Kopfbedeckung. Auf der linken Seite seines Gesichts lief eine lange Narbe von unterhalb der Schläfe bis zum Kiefer hinunter. Als er an uns vorüberritt, glitt sein Blick rasch und gelassen über uns hinweg, und wir senkten die Köpfe. Dann waren sie an uns vorbei und ritten in demselben gleichmäßigen Trott den Hügel hinauf. Ich trat auf den Fahrweg und schaute ihnen nach, und der Schnee stach mir kalt in die Augen. Von irgendwo über uns stieg Rauch in die Höhe. Mir schien, als könnte ich die Befestigungen der Burg ausmachen, doch konnte ich mir bei dem Schnee und dem Rauch nicht sicher sein. Ritter und Knappe verschmolzen mit dem Dunst aus Rauch und Schnee und entschwanden meinen Blicken.
       Die Menschen reagieren verschieden auf die Furcht. Ich versuchte, die meine durch Reden zu verbergen. »Bestimmt reiten sie zur Burg hinauf«, sagte ich. »Im Wirtshaus habe ich gehört, daß ein zehntägiges Turnier stattfindet. Es dauert bis zum Stephanstag. Noch nie habe ich einen Ritter unter so einem Dach aus Stoff reiten sehen.«
       »Ich auch nicht«, sagte Tobias und spuckte auf den Weg. »Er hatte Angst, der Schnee könnte seine Kappe verschandulieren. Bei denen ist das ganze Leben nur Schau und Schein.«
       Straw ließ sein seltsames Lachen hören, das immer wie ein Schluchzen klang. »Unseres etwa nicht?« sagte er. »Sie sind genau wie wir. Sie sind fahrendes Volk.« Auch Straw hatte sich gefürchtet, wie mir sein erleichtertes Lachen verriet. »Alles, was sie brauchen, führen sie mit sich, genau wie wir«, sagte er.
       Springer war der einzige von uns, der zugab, daß er Angst gehabt hatte – vielleicht, weil ihm die Angst ein stetiger Begleiter war. »Eine Zeitlang dachte ich, der Antichrist käme die Straße herauf«, sagte er. »Ich bin lieber Schauspieler und bring’ Menschen zum Lachen, als daß ich von Ort zu Ort ziehe und andere aus dem Sattel stoße.« Mit leichten Bewegungen seiner Schultern und des rechten Arms, der Blick starr und die Brauen furchtsam in die Höhe gezogen, ahmte er einen ängstlichen Ritter bei einem Turnier nach. Es war komisch, weil er damit zugleich seine eigenen Ängste schauspielerte, wie auch die Ängste von uns anderen, und alle lachten, ausgenommen Stephen, der sich nicht minder gefürchtet hatte als wir anderen, dies jetzt aber zu verbergen suchte, indem er sein Mißfallen über unseren Mangel an Respekt bekundete.
       »Sie verstehen zu kämpfen«, sagte er. Als ehemaliger Bogenschütze hatte er Ritter in der Schlacht gesehen, wir anderen hingegen nicht. Und Stephen war ein unermüdlicher Fürsprecher des Adels; wie ich vermute, lag es an einer naturgegebenen Verehrung seinerseits für die Reichen und Mächtigen. Vielleicht war dies auch der Grund dafür, ging es mir plötzlich durch den Sinn, daß Stephen auf seinen Stelzen und mit dem vergoldeten Gesicht in seiner Rolle als Gottvater so überzeugend war. »Ein halber Zentner Panzerplatten«, sagte er und musterte Springer mit düsterer Mißbilligung. »An einem heißen Tag ist das, als würde man den Kopf in einen Backofen stecken. Die Ritter werden vom Morgengrauen bis zur Abenddämmerung zu Pferde kämpfen, ganz gleich, was für ein Wetter der Herrgott ihnen schickt. Ich habe Rittersleute gesehen, die an einem halben Dutzend verschiedener Stellen verwundet waren und vom Blut geblendet und die noch immer Hiebe austeilten. Du, Springer, du

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