Die Masken der Wahrheit
Barber, seines Zeichens flüchtiger, vor Todesangst schlotternder Priester. Der Baron hob den Kopf, um mich anzuschauen, und der Falke spürte die Bewegung und tat einen winzigen Schritt zur Seite, und es war so still in dem Gemach, daß ich das Kratzen von Krallen auf dem Leder hörte.
Die Lider des Barons hatten sich gehoben, und sein Blick ruhte auf mir, fest und kalt, doch ohne Neugier oder daß auch die Andeutung einer Frage in den Augen zu lesen war. Ich hielt seinem durchdringenden Blick kaum einen Atemzug stand; dann schaute ich zu Boden. »Nun«, sagte er, »entsprechend gekleidet bist du ja. Stimmt es denn wirklich, daß du Priester bist?«
»Ja, Euer Lordschaft«, sagte ich.
»Dann könnte er doch mit mir kommen und sein Amt ausüben«, sagte das Mädchen. »Sobald er fertig ist, lass’ ich ihn wieder zu Euch bringen. Gewiß dauert’s nicht lange.« Sie zauderte einen Augenblick; dann sagte sie: »Der Ritter kann nicht sprechen.«
Der Baron zögerte kurz, hob die freie Hand zum Kopf und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger das Ohrläppchen. Dann nickte er. »Ich glaube, ich hab’ genug gesehen«, sagte er. Er schaute den Verwalter an. »Ein Bewaffneter soll den Priester begleiten. Ihr und der andere Wachtposten bleibt bei mir. Wenn er fertig ist, wird unser Priester wieder in die Kammer gebracht, in der die Truppe vorher schon einquartiert war.«
Die junge Dame vorneweg, der Bewaffnete mit rasselnden Schritten hinter mir, verließen wir das Gemach – was ich mit Freuden tat – und schritten durch Gänge, die ich nie gesehen hatte und die ich vor lauter Furcht ohnehin kaum wahrnahm, bis wir dorthin gelangten, wo man den sterbenden Ritter untergebracht hatte.
Er lag in einer fensterlosen Kammer auf einer niedrigen, mit Kissen gepolsterten Bank. Eine weiße, gesteppte Decke war ihm hinauf bis zum Kinn gezogen, und der weiße Verband aus Leinen, den er um den Kopf trug, sah wie ein Helm aus; zu beiden Seiten der Bank standen Kerzen. Der Knappe kniete weinend zu seinen Füßen. Am anderen Ende der Kammer befand sich eine niedrige Tür; unweit davon stand ein schlichter Tisch aus Brettern mit einer Kanne Wasser, Tüchern und einer flachen Schale mit Öl darauf. Neben dem Tisch stand eine Bedienstete, während die Dame des Hauses an der Bettstatt saß. Als ich eintrat, erhob sie sich wortlos, um mir Platz zu machen, und auch der Knappe rückte ein Stück fort.
Der Kopfverband des Ritters saß tief bis in die Stirn, und sein Gesicht war so weiß wie das Leinen. Seine Augen, braun und mit langen Wimpern, blickten starr auf irgend etwas, das sehr nahe war oder sehr fern. Sein Mund war leicht geöffnet, und sein Atem ging schwer. Ich fragte ihn, ob er seine Sünden aufrichtig bereue und bereit sei, die Beichte abzulegen, doch seine Augen bewegten sich nicht, und ich erkannte, daß der Lanzenstoß ihn der Fähigkeiten beraubt hatte, zu hören und zu sprechen. Er kam mir sehr jung vor, kaum älter als ein Knabe. Die Haut seines Gesichts war glatt, was die Narbe auf der Wange noch unpassender erscheinen ließ. Verstohlen würde der Tod sich heranschleichen, um diesen Edelmann schon in der Jugend mit sich zu nehmen. Und das Ende war nicht mehr fern; schon jetzt ruhte der Blick des Ritters auf dem Tod.
Da er nicht mehr fähig war, Reue zu bekunden oder seine Sünden zu beichten, konnte ich ihm keine Absolution erteilen. Ich nahm das Öl, segnete es und begann die Worte der Letzten Ölung zu sprechen, wobei ich Augen, Ohren und Mund des Sterbenden berührte. Mit keinem Zeichen gab er zu erkennen, daß er wußte, was geschah; er, der sich erst wenige Stunden zuvor stolz für den Lanzenkampf gekleidet hatte, in den Farben seines Adelsgeschlechts; der seinen außergewöhnlichen Helm aufgesetzt und sich für seine Rolle maskiert hatte, so, wie die Schauspieler es tun. Nun war er im Begriff, von der Bühne abzutreten, weil es keine Rolle mehr für ihn gab außer der des Sterbenden, die wir eines Tages alle spielen müssen. Was ich für ihn tun konnte – es war wenig genug –, tat ich. Ich sprach die Worte, die er nicht hören konnte; ich segnete seine schwindenden Sinne. Es war meine eigene Reue, die ich ihm gab, meine eigene Hoffnung auf das Himmelreich.
Der Augenblick seines Todes war nicht genau zu erkennen, da sein Atem schon seit einiger Zeit so schwach ging, daß man ihn kaum mehr wahrnehmen konnte, und seine Augen blicklos waren. Von einem Moment zum anderen,
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