Die Masken des Morpheus
äußert, Tobes’ Sohn zu finden.« Mortimers Blick wanderte zu dem hechelnden Bluthund. »Leider kam die Entdeckung zu spät, um ein Blutbad an meinen Schwarzen Wölfen zu verhindern. Der Bastard nennt sich Tarin, was wir bisher nicht wussten.«
Xix kniff den Schwanz ein und winselte.
»Wo ist er jetzt?«, fragte Boss.
»Auf dem Weg zum Rhein. Ich gebe dir den Namen eines Gasthauses in Reims, in dem er morgen Abend mit seinen Kameraden übernachten wird. Dort kannst du seine Witterung aufnehmen.«
»Er reist nicht allein?«
»Tobes’ Sohn Arian und ein Mädchen namens Mira – die Comtesse du Lys – begleiten ihn. Sie teilen Zigors Abneigung gegenüber Ikela. Möglicherweise werden sie versuchen, sie umzubringen. Falls es umgekehrt kommt und die drei sterben, wirst du ihr an die Kehle gehen.«
Boss wirkte bestürzt. »Sie ist eine Hexe.«
Xix bellte zustimmend.
Mortimer stöhnte. »Der stärkste Glaube frommer Leute ist der Aberglaube. Diese Tauscherin ist sterblich, das kann ich dir versichern. Sobald du sie gepackt hast, halte sie fest, damit sie nicht in deinen Körper entwischt und du in ihrem sterben musst.«
»Man sagt, ihre Festung werde von Ungeheuern bewacht.«
»Alles Übertreibungen, mit denen sie sich zu schützen sucht. Jeder Einzelne in deiner Meute ist größer und kräftiger als der mächtigste Wolf. Ihr werdet spielend mit ihnen fertig. Wenn ihr mir Ikela vom Hals schafft, werde ich euch von eurem Fluch befreien und entlasse euch aus meinen Diensten. Ich sorge sogar dafür, dass ihr einträgliche Posten bekommt – die Guillotine reißt viele Lücken, die wieder aufgefüllt werden müssen.«
»Ich brauche etwas, um ihre Witterung aufzunehmen«, brummte Boss.
Von Xix’ Lefzen troff schleimiger Geifer.
»Sollst du bekommen«, versprach Mortimer. Er öffnete die schwarze Ledertasche, die zu seinen Füßen stand, und entnahm dieser einen Frock aus scharlachrotem Samt. »Tobes’ Sohn hat das getragen; er verbirgt sich unter der Hülle eines einäugigen Narbengesichts. Ich vermute, dass auch der Geruch von Zigor und dem Mädchen daran haftet. Meinst du, deine Nase ist damit zufrieden?«
Boss sah den hechelnden Hund an. »Darauf könnt Ihr Gift nehmen.«
»Lieber nicht. Hast du noch Fragen?«
»Ja, Herr. Angenommen, wir finden Zigor und seine Begleiter lebend vor, was soll ich mit ihnen tun?«
Mortimer lächelte. »Gönne deiner Meute etwas Spaß. Wie ihr sie umbringt, ist mir egal. Ich möchte nur keinen von den dreien je wiedersehen.«
Nach zwei Wochen liegen bei Arian die Nerven blank.
Er will endlich seinen Körper zurück.
Auch Mira erhofft sich Klarheit.
Nur Tarin mag ihre Zuversicht nicht teilen.
Landgrafschaft Hessen-Cassel, 28. Juni 1793
Arian zuckte vor Schreck zusammen, als die Schiffsglocke drei Mal schlug. Und siebenfach hallte ihr Klang zwischen den Bergen beiderseits des Stromes hin und her. Mit dem Geläut forderte der Kapitän die Reisenden zum Gebet auf, weil sein Schiff eine der gefährlichsten Stellen des ganzen Rheins ansteuerte: den Loreleyfelsen.
Ein unheimliches Rauschen und Gluckern lag über dem Fluss. Allein mit dem Wasserfall am gegenüberliegenden Ufer war es kaum zu erklären. Es hörte sich an, als murmele der große graue Fels unheilvolle Zaubersprüche. Einige Passagiere auf dem Zweimaster bekreuzigten sich. Sie hatten wahrscheinlich von den Zwergen gehört, die angeblich in den Höhlen des Lurleberchs wohnten.
»Keine Sorge«, sagte Tarin, der neben Mira und Arian am Bug des Seglers stand. Er trug einen Dreispitz, den er sich tief ins Gesicht gezogen hatte, um von den unsichtbaren Spähern der Burg Phobetor nicht erkannt zu werden. Der Fluss war an dieser Stelle nur einen Bogenschuss breit. »Die Geräusche kommen nur vom Gevatter Rhein, weil er sich hier durch dieses Nadelöhr zwischen Hunsrück und Taunus zwängen muss. Über dem Grünsgrund, der tückischen Sandbank dort drüben, teilt er sich. Links davon trifft er auf die Felsrippen des Gewerres , rechts strömt das Wasser langsamer. Deshalb rumoren hinter der Barriere lauter Strudel und Verwirbelungen.«
»Soll das heißen, Ikela hat mit den meisten Schiffsunglücken gar nichts zu tun?«, entgegnete Arian.
Tarin zuckte die Achseln. »Sagen wir mal so: Sie hat sich den idealen Platz für ihre Burg ausgesucht. Wegen der unterschiedlichen Strömungen am Lurleberch kann sie ein Schiff in jede beliebige Richtung lenken, indem sie einfach die Naturkräfte umkehrt. Der
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