Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Masken des Morpheus

Die Masken des Morpheus

Titel: Die Masken des Morpheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
Vom Netzwerk:
Kahn zerbricht, die Mannschaft ertrinkt, und niemand wundert sich. Abgesehen vom Bingener Loch gibt es weit und breit keine so gefährliche Flussenge … Nicht so direkt hinsehen! «
    Erschrocken wandte Arian den Blick vom Felsen ab und ließ ihn über die bewaldeten Hänge des gewundenen, engen Flusstales nach Norden schweifen.
    »Spürt sie es wirklich, wenn jemand zu ihr hinaufsieht?«, fragte Mira unbehaglich.
    »Als Frau bist du für sie so harmlos wie ein ahnungsloser Reisender, der die Schönheiten der Landschaft bewundert. Kerle wie unser Einauge hier oder meine Wenigkeit, die nicht gerade freundschaftliche Gefühle für sie hegen, machen sie unruhig und reizbar.«
    Nur aus den Augenwinkeln wagte Arian den Blick über die Weinberge zu den steilen, karg bewachsenen Hängen des Loreleyfelsens aufsteigen zu lassen. Fast ebenso breit wie hoch wachte er wie ein verwunschener Drache über das Ostufer des Rheins. Arian bildete sich ein, durch den Feuerkristall tatsächlich das unstete Bild eines trutzigen Gemäuers zu sehen. Rasch blickte er wieder zur Flussmitte.
    Nach etwas mehr als einer englischen Meile legte das Schiff auf der linken Rheinseite bei der Zollstation Sankt Goar an. Hier gingen die Gefährten von Bord. Hinter ihnen lag eine dreizehntägige Reise. Von Ivoria aus waren sie zunächst in der geschlossenen Kutsche nach Reims gebracht worden. Dort hatten Tarin und Arian ihre Waffen zurückerhalten. Außerdem bekamen sie vier Pferde, allesamt Rappen, sowie Proviant und zwei Beutel venezianische Dukaten, die wegen ihres hohen Goldgehalts allgemein geschätzt wurden.
    Ikelas Sohn hatte wieder die Führung übernommen. Ab und zu durchquerten sie auf ihrem Weg nach Osten zerstörte oder geplünderte Dörfer. Zwar mussten sie die Schwarzen Wölfe nun nicht mehr fürchten, doch den verfeindeten Truppen hieß es weiterhin aus dem Weg zu gehen. Noch im vergangenen November hatten die Franzosen ganz in der Nähe, bei Frankfurt am Main, gestanden. Nun waren sie weitgehend hinter die eigenen Grenzen zurückgedrängt worden.
    Über Metz gelangten die drei ins nördliche Elsass. Die in dieser Region lebenden Menschen waren keine Freunde der Jakobiner. Viele sympathisierten sogar mit den Österreichern und Preußen, die den Rhein überquert hatten, um den Vormarsch der Revolution aufzuhalten. So kamen die Gefährten lange ohne Zwischenfälle voran. Erst kurz vor dem Grenzfluss, als sie gerade durch den Bienwald ritten, nahm Arian aus den Augenwinkeln einen verdächtigen Schatten wahr. Die Erinnerung an den Hinterhalt bei Saint-Amand saß ihm noch im Nacken und er schrie: »Eine Falle!«
    Von seinem Gebrüll aufgescheucht, schoss ein riesengroßer brauner Hund mit Schlappohren hinter einem Baum hervor und suchte das Weite.
    Tarin lachte. »Nur ein streunender Köter. Ich glaube, du hast ihn mehr erschreckt als er dich.«
    »Und wenn es einer von Mortimers Schnüfflern ist? Das war ein Bluthund, ein richtiges Monstrum. Bei uns in England heißt es, sie hätten von allen Hunden den besten Spürsinn.«
    »Sobald wir auf dem Fluss sind, verliert er unsere Witterung.«
    »Ich hoffe, du irrst dich nicht.«
    Arian war froh gewesen, als der Forst endlich hinter ihnen lag und sie in Wörth, nördlich von Karlsruhe, die Fähre bestiegen. Auf der rechten Flussseite ritten sie danach bis Speyer weiter, wo sich die Zerstörungen in Grenzen hielten. Hier hoffte Tarin ein größeres Schiff zu finden, das auch ihre Tiere befördern würde. Südlich der Domstadt verkehrten nämlich nur kleinere Wasserfahrzeuge, die von Menschenkraft »zu Berg«, also gegen die Strömung, gezogen werden konnten. Treidelwege für Pferde anzulegen lohnte nicht, weil der Oberrhein bei den Frühjahrshochwassern ständig sein Flussbett änderte.
    Nach einer Nacht im Gasthaus gingen die drei an Bord eines Flussschiffes. Wie erhofft, durften sie sogar die Rappen mitnehmen, da der Schiffer auf einem flachen Kahn seine eigenen Treidelpferde hinter sich herschleppte.
    Erst in Rüdesheim waren die drei dann in das größere Schiff umgestiegen, das sie ans Ziel ihrer Reise bringen sollte. Es war ein Bönder, ein nicht eben eleganter Zweimaster mit Spriettakelung – die viereckigen Segel wurden durch Spieren, also schräg aufragende Rundhölzer, vom Mast abgespreizt. Die letzte Etappe auf dem Mittelrhein hatten sie ob der stärkeren Strömung in knapp einem halben Tag bewältigt.
    Während sie in Sankt Goar im Gasthof »Zur Lilie« auf die Fähre warteten, die sie

Weitere Kostenlose Bücher