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Die Masken des Morpheus

Die Masken des Morpheus

Titel: Die Masken des Morpheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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gehalten. Nun bewies sie immer öfter, dass sie am Leid anderer Anteil nahm.
    Die Rappen galoppierten flussaufwärts aus der Stadt, die sich zwischen die Burgen Katz und Maus unter einen steilen Hang duckte. Nur wenige ahnten von der dritten Festung, die gut eine Meile weiter südlich lag: Phobetor.
    Auf dem Treidelweg passierten sie die Hangburg, die eigentlich Neukatzenelnbogen hieß, bis Tarin sich links in die Büsche schlug. Bald erreichten sie einen schmalen Waldpfad, der hangaufwärts führte. Im Schatten von Buchen und Eichen brachte er seinen Hengst zum Stehen und schwang sich aus dem Sattel.
    »Von hier ab gehen wir zu Fuß. Sucht euch einen dünnen Ast, und bindet die Pferde locker an, damit sie sich notfalls losreißen können.«
    »Soll das heißen, du rechnest nicht mit unserer Rückkehr?«, fragte Arian. Er griff hinter sich nach seinem Stockdegen.
    Tarin verzog das Gesicht zu einem grimmigen Lächeln. »Wir wären die ersten ungebetenen Gäste, die Phobetor lebend verlassen.«

Wie Arian und seine Gefährten
in Ikelas Burg eindringen
und einen Vorgeschmack
auf die Schrecken von Phobetor bekommen.
      
      
      
    Landgrafschaft Hessen-Cassel, 28. Juni 1793
      
    Der steile Pfad war so schmal, dass ihn die nächtlichen Wanderer im Gänsemarsch erklimmen mussten. Sie waren erst nach Einbruch der Dunkelheit von ihrem Versteck nördlich des Loreleyfelsens aufgebrochen. Der Mond warf silberne Tupfen auf den Boden. Ab und zu sahen sie ein paar Sterne zwischen den Baumkronen funkeln. Mehr Licht gab es nicht. Und dabei lag das schwerste Stück des Weges noch vor ihnen.
    Als sich zu ihren Häupten das Blätterdach lichtete, blieb Tarin stehen. »Ab hier übernimmt Mira die Führung. Du und ich gehen mit verbundenen Augen weiter«, sagte er zu Arian.
    Der stöhnte. Ihm war nicht wohl bei der Sache. »Ist das wirklich nötig? Wir werden uns den Hals brechen.«
    »Keine Sorge. Ich bin hier aufgewachsen. Schon als Dreikäsehoch habe ich jeden Stein auf diesem Berg umgedreht.«
    Mira verteilte zwei Halstücher an ihre Begleiter. »Umbinden müsst ihr sie euch alleine, wenn ihr euch nicht in meinem Körper wiederfinden wollt.«
    »Vielleicht würde Ikela mich dann nicht erkennen«, sinnierte Arian.
    »Vergiss es«, sagte Tarin. »Es ist die Absicht, die ihre Aufmerksamkeit erregt, nicht der äußere Schein.«
    Nachdem er und Arian sich die Augen verbunden hatten, setzte sich Mira an die Spitze des kleinen Zuges. An verschiedenen Wegpunkten gab Tarin ihr Anweisungen. Gehe nach rechts. Halte dich links. Achte auf den großen Stein, der wie ein Eselskopf aussieht. Nie zögerte und niemals irrte er. Es schien, als brauchte er gar keine Führerin. Deshalb lief er auch ganz hinten. So konnte Mira notfalls Arians Hand ergreifen, eine unnötige Vorsichtsmaßnahme, denn wider Erwarten war er nicht völlig blind.
    Es lag wohl an Ikelas Macht, die an diesem Ort alles durchdrang, selbst das schützende Tuch über dem Feuerkristall. Dieser nämlich zeigte Arian den wahren Lurleberch. Im Wesentlichen war der auch nur ein karg bewachsener Schieferfelsen, doch einen bedeutsamen Unterschied gab es: Wenn Arian nach oben schaute, sah er wie hinter blutroten Nebelschwaden Phobetor.
    Der ungünstige Blickwinkel ließ ihn hauptsächlich die hohen Mauern erkennen, einige außen aufstrebende Achtecktürme mit spitzen Dächern und flatternden Wimpeln sowie einen aus dem Zentrum aufragenden mächtigen Bergfried. Der eigentliche Palast, in dem Ikela wohnte, erstrecke sich weit ins Innere der Anlage, hatte Tarin seinen Freunden verraten. Der äußere Mauerring war ein perfektes Oktogon. Bei den Körpertauschern sei das Achteck ein heiliges Symbol der Erneuerung, hatte er mit grimmiger Miene erklärt, ähnlich wie in der Christenheit, wo es für die Taufe stehe. Und in der Musik bildeten genau acht Töne die Leiter zur vollkommenen Harmonie. Außerdem gleiche die Festung einer Krone.
    Turtlenecks Spazierstock erwies sich als nützlich beim Klettern, zumindest anfangs. Der verborgene Pfad zog sich flusswärts um den Loreleyfelsen herum und wurde zunehmend halsbrecherisch. Im gurgelnden Strom brannten Signalfeuer, die Schiffer vor den gefährlichen Stellen warnten, hier oben gab es nichts dergleichen. Immer wieder lösten sich unter Arians Sohlen Steine und fielen in die Tiefe. Bald nahm er die Hände zu Hilfe, um nicht abzustürzen. Er hatte das Gefühl, die Kletterei wolle kein Ende nehmen.
    »Was siehst du, Mira?«, flüsterte Tarin

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