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Die Masken von San Marco

Die Masken von San Marco

Titel: Die Masken von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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rechts und stellte bedauernd fest, dass ihm der Campanile den Blick versperrte.
    Als er ein dumpfes Plopp an der Tür hörte, riss er unwillkürlich den Arm hoch. Aber es war nur ein Lakai, der angeklopft hatte, um den Generaladjutanten zu melden.
    «Toggenburg war gerade zusammen mit dem Polizeipräsidenten bei mir», sagte Crenneville, nachdem er eingetreten war und sich verbeugt hatte. Seine Stimme klang nervös. Er hielt einen großen braunen Umschlag in der Hand.
    Franz Joseph runzelte die Stirn. «Die beiden zusammen?
    Was wollten sie?»
    «Commissario Tron hat herausgefunden, dass jemand  morgen Nachmittag vom Dachboden der Marciana auf Seine Majestät feuern wird», erklärte Crenneville. «Und dass es sich um einen Angehörigen der Streitkräfte handelt.»
    Franz Josephs Unterkiefer senkte sich ruckartig. «Wie hat er das herausgefunden?»
    Crenneville steckte die Hand in den braunen Umschlag.
    «Möchten Majestät den Bericht der Questura lesen?»
    Franz Joseph schüttelte den Kopf. «Fassen Sie ihn zusammen.»
    Nachdem Crenneville seinen Vortrag beendet hatte,  schwieg der Kaiser eine Weile. Schließlich sagte er: «Wirklich bemerkenswert, dieser Tron. Und Sie denken natürlich, dass es sich um ein echtes Attentat handelt. Was haben Sie den Herren erzählt?»
    «Dass wir dem Mann bereits eine Falle gestellt haben.
    Und dass die Angelegenheit strengster Geheimhaltung unterliegt.»
    «Wird Spaur sich daran halten?»
    «Auf jeden Fall. Ich habe vorsichtshalber eine Anspielung auf sein Gesuch gemacht.» Er nahm einen Kanzleibogen aus dem Umschlag, den er noch immer in der Hand hielt, und reichte ihn dem Kaiser. «Das ist heute Morgen mit der Kurierpost aus Wien gekommen.»
    «Was ist das?»
    «Eine Eingabe des Polizeipräsidenten in einer persönlichen Angelegenheit», sagte Crenneville. «Der Vorgang ist in der Kanzlei der Hofburg hängengeblieben, weil das entsprechende Begleitformular nicht korrekt ausgefüllt wurde.
    Deshalb ist die Eingabe aus formalen Gründen zunächst abschlägig beschieden worden.» Crenneville räusperte sich.
    «Es handelt sich also um eine Wiedervorlage.»
    Franz Joseph winkte ungeduldig ab. «Schon gut. Und  was will Spaur von mir?»
    Crenneville gestattete sich ein diskretes Lächeln. «Er möchte heiraten.»
    «Wie? Geben Sie her.» Franz Joseph überflog den Bogen und schüttelte den Kopf. «Das ist lächerlich. Wie alt ist dieser Spaur jetzt?»
    «Dreiundsechzig.»
    «Und die Dame?»
    «Siebenundzwanzig.»
    «Sie könnte seine Enkelin sein.»

    Crenneville nickte. «So ist es. Aber Spaur hat ein gutes Motiv, zu schweigen.»
    «Muss ich das sofort entscheiden?»
    Crenneville schüttelte den Kopf. «Nein, es hat Zeit.» Er wandte sich zum Gehen, aber eine Handbewegung des Kaisers hielt ihn zurück.
    «Da wäre noch etwas, Crenneville.»
    «Ja, Majestät?»
    «Dieser Mann, der auf mich feuern wird – er flieht doch anschließend durch den Palazzo Reale. Ist das richtig?»
    Crenneville senkte den Kopf. «Das ist richtig.»
    Franz Joseph machte ein nachdenkliches Gesicht. «Wäre es nicht äußerst unbefriedigend, wenn dieser Mann entkommt? Immerhin hat er versucht, einen Commissario der venezianischen Polizei zu töten.» Der Kaiser schwieg einen Moment, bevor er weitersprach. Dann sagte er in beiläufigem Ton: «Was ist, wenn dem Mann auf der Flucht ein kleiner Unfall zustoßen würde?»
    Crenneville musste schlucken. «Majestät meinen, der  Mann könnte auf seiner Flucht durch den Palazzo Reale … zu Schaden kommen?»
    Franz Joseph hatte plötzlich einen Gesichtsausdruck, der Crenneville nicht gefiel. «Er könnte auf jemanden treffen», sagte der Kaiser langsam, «der davon überzeugt ist, er wolle tatsächlich ein Attentat auf mich begehen.» Der Kaiser sah Crenneville an. «Würde diese Person dann nicht versuchen, den Attentäter festzunehmen?»
    Crenneville nickte. «Ja, wahrscheinlich, Hoheit.»
    «Und wer ist davon überzeugt, dass jemand ein Attentat auf mich begehen möchte?»
    «Commissario Tron», sagte Crenneville.
    Franz Joseph starrte einen Moment lang auf die Gasla ternen der Piazza hinab. Schließlich wandte er sich vom Fenster ab und sagte: «Meinen Sie, der Commissario würde zögern, diesen Mann notfalls … auszuschalten?»
    Crenneville spürte, wie sich sein Puls beschleunigte. Er wusste, was jetzt kam. «Nein, Majestät.»
    Der Kaiser strich seine Uniformjacke glatt. «Dann denken Sie sich etwas aus.»

    Als Crenneville draußen auf dem Gang stand,

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