Die Masken von San Marco
Rossi daran zog, schob sich ein Kolben aus der Metallröhre.
Dann ließ er ihn los, und der Kolben schlug krachend auf den Boden der Röhre.
«Wir füllen den Zylinder in kleinen Portionen», erklärte Rossi, der sich jetzt anhörte wie Boldùs Chemielehrer auf der Kadettenanstalt. «Dann wird der Kolben hochgezogen und fallen gelassen, sodass er immer mit der gleichen Kraft auf den Satz schlägt. Handgeschlagener, dichter Satz brennt nie gleichmäßig ab. Wegen der Höhe brauchen wir dicht geschlagene Sätze.»
Boldù räusperte sich. «An welche Höhe dachten Sie?»
Und dann sagte Rossi etwas, das Boldù endlich die Augen öffnete. «Ich will, dass man die Bouquets in der ganzen Stadt sieht. Ich dachte an eine Höhe von hundert Metern.»
Als er begriffen hatte, worum es ging, wäre Boldù fast in Gelächter ausgebrochen. Eigentlich hätte er sofort darauf kommen können. Strontium ergab Rot, Barium Grün und Schwefelantimon Weiß. Die Idee war genial. Einen Augenblick lang reizte ihn die Vorstellung, sein eigenes Projekt mit dem der Gruppe zu einem einzigen zu kombinieren, beides zum gleichen Zeitpunkt stattfinden zu lassen.
Boldù lächelte. «Wann wollen Sie die Bouquets zünden?»
«Gleich am ersten Abend des kaiserlichen Besuchs. Zur Begrüßung.»
«Und wo?»
«Direkt über der Piazza. Vom Dachboden der Alten Prokuratien. Wir feuern zwanzig Sätze aus zwanzig verschiedenen Positionen ab.»
«Wie viele sind wir?»
Rossi zögerte einen Moment. Dann sagte er: «Mit Ihnen zusammen sind wir fünf.»
Boldù runzelte die Stirn. «Nur fünf Leute für zwanzig Positionen?»
«Wir benutzen Zündschnüre von verschiedener Länge»,
erklärte Rossi. «Jeder von uns bedient vier Positionen.»
«Und wie kommt man unter das Dach der Alten Prokuratien?»
«Vom Baccino Orseolo her. Über eine kleine Hinter treppe, die normalerweise nicht benutzt wird.»
«Was ist auf dem Dachboden?»
«Gerümpel, Taubendreck. Und massenhaft lose Dachziegel, die sich leicht entfernen lassen.»
«Kann man die fehlenden Dachziegel von der Piazza aus erkennen?»
Rossi schüttelte den Kopf. «Nicht bei Dunkelheit. Au ßerdem werden sie erst im letzten Moment entfernt.»
Das alles, fand Boldù, war sehr interessant zu hören.
11
Königsegg nahm die goldene Halskette aus der Tasche seines Gehrocks und legte sie vor die Apparatur, die auf dem Tisch aufgebaut war. Der professore war neben ihn getreten, und Königsegg spürte, wie er ihn beobachtete. Die Apparatur bestand aus zwei großen, auf ein eisernes Gestell montierten Kupferzylindern, die durch Röhren miteinander verbunden waren. Auf dem linken Zylinder war eine Anzeige angebracht, auf der man die Temperatur ablesen konnte, darunter brannte eine Spiritusflamme. Wenn die erforderliche Temperatur erreicht war, würde der professore die Klappe an der Vorderseite des Zylinders öffnen, die Halskette hineinlegen und ein wenig Quecksilber hinzufü gen. Königsegg konnte es immer noch nicht recht glauben.
Aber gestern hatte er mit eigenen Augen gesehen, dass es funktionierte.
Es war der Gondoliere am Casino Molin, der ihm die Adresse des professore gegeben hatte – «Sagen Sie ihm, dass Angelo, der Gondoliere, Sie geschickt hat. Der professore wird Ihnen helfen.»
Hatte der Gondoliere ihm angesehen, dass er gezwungen gewesen war, einen Schuldschein in astronomischer Höhe zu unterzeichnen? Und dass er ernsthaft mit dem Gedanken gespielt hatte, sich eine Kugel in den Kopf zu jagen? Königsegg glaubte fest daran, dass der Herr hin und wieder einen Engel auf die Erde sandte. Es konnte kein Zufall sein, dass der Gondoliere ausgerechnet Angelo hieß.
Also hatte Königsegg den professore am nächsten Morgen aufgesucht, und der hatte ihm seine Apparatur ausführlich erklärt. Natürlich hatte ihm Königsegg nicht geglaubt. Aber dann hatte der professore ihn um seinen Ehering gebeten und diesen in den linken Zylinder gelegt. Er hatte ein wenig Quecksilber hinzugefügt und einen Spiritusbrenner unter dem Zylinder entzündet. Fünf Minuten später hatte er aus dem rechten Zylinder einen Goldklumpen herausgeholt, der fast genauso viel wog wie der Ehering. Den Ring hatte ihm der professore zurückgegeben – völlig unbeschädigt. Königsegg musste sofort an die Halskette der Kaiserin denken.
«Ich nehme zehn Prozent als Kommission», hatte der professore gesagt. Er hatte ihn darauf hingewiesen, dass der Besitz einer solchen Apparatur hart bestraft wurde.
Königsegg sah, wie
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