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Die Masken von San Marco

Die Masken von San Marco

Titel: Die Masken von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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professore gingen voraus, dicht hinter ihnen, die Waffen im Anschlag, folgten die Polizisten. Der Regen schien nachgelassen zu haben, aber ein böiger Wind war aufgekommen, der ihnen die Tropfen ins Gesicht trieb. In spätestens zehn Minuten würden sie im Danieli sein. Und dort, dachte Königsegg, indem eine Woge dumpfen Entsetzens über ihm zusammenschlug, wäre es aus mit ihm. Es sei denn, es gelänge ihm zu fliehen.
    Dann blieben ihm bis zur Ankunft des Kaisers fünf Tage, um die Halskette wieder in den Tresor zu legen. Königsegg hatte nicht die geringste Vorstellung, wie das zu bewerkstelligen war, aber vielleicht tat ja der Herr ein zweites Mal ein Wunder an ihm.
    Sie hatten den Campo Santo Maurizio überquert und  betraten die Calle delle Ostreghe, tagsüber eine schmale, von kleinen Läden gesäumte Gasse, jetzt ein rabenschwarzer Korridor, auf dessen Grund die Sicht auf Armeslänge geschrumpft war. Königseggs Augen brannten, sein Rücken tat ihm weh, und seine Handgelenke, die sich an den Fesseln rieben, schmerzten. Schlimmer jedoch als die körperlichen Schmerzen war die immer deutlichere Vorstellung davon, was ihn in Kürze im Danieli erwartete. Mori Turi Tesa Lutant, murmelte Königsegg. Er wusste nicht genau, was dieser Satz bedeutete und an welcher Stelle der Heiligen Schrift er stand – schließlich war er kein Feldkurat.
    Aber irgendwie schien dieser Satz aus dem Buch der Bü cher zu passen. Königsegg fand, er klang wie ein Gebet, fast wie eine heidnische Zauberformel. Mori Turi Tesa Lutant, wiederholte er inbrünstig.

    In diesem Moment geschah zum zweiten Mal an diesem  Abend etwas, das Königsegg nicht erwartet hatte. Es dauerte drei, vielleicht auch vier Sekunden, bis er begriff, was geschehen war. Der professore hatte sich plötzlich von seiner Seite gelöst und einen wilden Satz in die Dunkelheit gemacht. Eine Hand packte Königsegg hart an der Schulter, stieß ihn zur Seite, dann schrie der dünne Polizist etwas auf veneziano, und beide Polizisten stürzten an Königsegg vorbei. Königsegg hörte ihr wütendes Geschrei und wie ihre Polizeistiefel über das Pflaster trappelten. Dann brach das Gerufe plötzlich ab, die Schritte wurden immer leiser, bis schließlich nur noch ein feines Klappern zu hören war.
    Wieder hatte Königsegg das Gefühl, sich in einem Traum zu befinden. Er machte zwei stolpernde Schritte nach hinten, drehte sich um und lief in die Dunkelheit hinein.

12
    «Phantastisch», murmelte Tron.
    Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und ließ das zweibogige Manuskript, in dem er mit wachsendem Entzücken gelesen hatte, auf die Knie sinken. Die Principessa, die auf der anderen Seite des Tischchens zwischen ihnen auf ihrer Recamière lag, hob irritiert den Kopf, vertiefte sich dann aber sofort wieder in ihre Geschäftspapiere. Es hatte am Nachmittag angefangen zu regnen. Obwohl die Fenster zum Canalazzo geschlossen und die Vorhänge zugezogen waren, hörte man die Tropfen an den Scheiben – ein Geräusch, das Tron immer als tröstlich empfunden hatte.

    Das Gedicht, das ihm ein gewisser Signor Fabri mit einem kurzen Begleitschreiben für die Dezemberausgabe des Emporio della Poesia zugeschickt hatte, hieß lapidar Pioggia nel Pineto. Tron vermutete, dass es sich um ein Liebesgedicht handelte, obwohl der Gegenstand nicht vollständig klar war. Die Sprache jedenfalls war flirrend und geheimnisvoll, zugleich aber so rein und durchsichtig, wie es ihm nur selten begegnet war.

    Piove su le tue ciglia nere
    Si che par tu pianga
    Ma di piacere …

    Wer war er, dieser Signor Fabri, der als Adresse ein kleines in der Nähe der Accademia-Brücke gelegenes Haus angegeben hatte? Was für ein Unbekannter hatte diese zauberhaften Verse zu Papier gebracht und …
    «Phantastisch», sagte die Principessa.
    Tron blickte auf und hatte einen Moment lang das  unangenehme Gefühl, dass die Principessa seine Gedanken gelesen hatte. Nicht dass er etwas gedacht hatte, was sie womöglich missbilligt hätte – das würde er sich nie erlauben. Er räusperte sich. «Wie bitte?»
    «Die neuen Zahlen aus Wien sind phantastisch», sagte die Principessa. Ihre Stimme klang ein wenig ungeduldig.
    Als Tron sie immer noch verständnislos anstarrte, fügte sie hinzu: «Das Pressglas, Tron. Jeder dritte Nachttopf, der in Wien verkauft wird, stammt aus unserer Produktion.»
    Tron musste schlucken. Offenbar hatte die Principessa seine Gedanken nicht gelesen. Er sagte: «Das freut mich.»
    «Es gibt nur ein

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