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Die Masken von San Marco

Die Masken von San Marco

Titel: Die Masken von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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der Schulter packte und ihn an die Wand stieß. Er zog ein Paar Handfesseln aus der Tasche seiner Uniformjacke und band ihm damit die Hände auf dem Rücken zusammen.
    Dann trat der dicke Polizist auf die Apparatur zu, öffnete die Klappe des linken Zylinders und nahm vorsichtig mit einem Taschentuch die Kette aus dem Behälter. Als er sie sah, stieß er einen überraschten Schrei aus. Beide Polizisten schienen erfreut zu sein. Wieder sprachen sie auf veneziano.
    «Ist das Ihre Kette, Signore?», fragte der dünne Polizist.
    Er sprach jetzt ein Italienisch, das Königsegg verstand.
    Königsegg nickte.
    «Ein sehr schönes Stück.» Der dünne Polizist ließ die Kette über seine Finger gleiten. Die Augen in seinem schmalen Raubtiergesicht funkelten. «Ein Stück, das Begehrlichkeiten weckt.»
    «Sie gehört meiner Frau», sagte Königsegg matt.
    «Was hat er von Ihnen verlangt? Zehn Prozent? Zwanzig Prozent?», erkundigte sich der dicke Polizist.
    «Zehn Prozent», sagte Königsegg.
    Die beiden Polizisten brachen in Gelächter aus. Dann sagte der dünne Polizist: «Er hätte Ihnen fünfzig Prozent abgenommen, Signore. Notfalls mit Gewalt. Sie hätten sich schlecht beschweren können. Sind Sie Gast in dieser Stadt?»
    Königsegg nickte.
    «Wo logieren Sie?»
    «Im Danieli», antwortete Königsegg, dem so schnell kein anderes Hotel einfiel.
    «Können Sie sich ausweisen?»
    «Meine Papiere sind auf meinem Zimmer.»
    «In diesem Falle müssen wir Sie leider bitten, uns ins Hotel zu begleiten.»
    «Werden Sie mir die Kette dort zurückgeben?» Eine völlig unsinnige Frage. Wo denn zurückgeben? In einem Zimmer, das gar nicht existierte?
    Der dicke Polizist lächelte traurig und schüttelte den Kopf. «Das darf ich nicht, Signore. Aber Sie können unbesorgt sein. Wenn Sie beweisen können, dass diese Kette Ihnen gehört, wird das Gericht sie Ihnen nach dem Prozess zurückgeben.»
    Königsegg wurde blass. «Es wird einen Prozess geben?»
    «Hat Sie der professore nicht darauf hingewiesen, dass diese Apparatur illegal ist?»
    Königsegg schüttelte wieder den Kopf. «Davon habe ich nichts gewusst.»
    «Dieser Mann», sagte der dünne Polizist kurz, «wird wegen ähnlicher Delikte bereits von uns gesucht.» Er warf einen verächtlichen Blick auf den professore, der mit geschlossenen Augen an der Wand stand.
    Wieder entspann sich eine auf veneziano geführte Diskussion zwischen den beiden Polizisten, von der Königsegg kein Wort verstand. Schließlich öffnete der dicke Polizist die Klappe des zweiten Zylinders, schlug die Goldkörner, die coagulatio, die sich gebildet hatte, sorgfältig in sein Taschentuch ein und sagte zu Königsegg: «Wir bringen Sie und den professore auf die Questura. Und gehen vorher am Danieli vorbei.»
    Er warf einen fragenden Blick auf seinen Kollegen, und als der nickte, richtete der dicke Polizist seinen Zeigefinger auf Königsegg und beschrieb einen Kreis. Königsegg verstand. Es würde keinen Sinn haben, gegen die Handfesseln zu protestieren. Er drehte sich gehorsam um und legte die Handgelenke auf dem Rücken übereinander.

    Als sie das Haus verließen und den Campo Santo Stefano kurz vor acht Uhr betraten, regnete es immer noch in Strömen. Königsegg, der seinen Hut und – wie es ihm schien – den größten Teil seines Verstandes in der Wohnung des professore zurückgelassen hatte, spürte, wie das Regenwasser von seinen Haaren herunter in seinen Kragen lief. Ein paar Leute mit Blendlaternen kamen ihnen entgegen, und Königsegg sah mit Schrecken, dass es sich um kaiserliche Offiziere handelte. Einen furchtbaren Moment lang hatte er die Vision, dass einer der Offiziere ihn erkennen würde – Guten Abend, Herr Generalmajor. Brauchen Herr Generalmajor Hilfe? –, aber sie gingen vorbei, ohne den Kopf zu drehen.
    Sollte er den beiden Polizisten doch noch ein Geschäft vorschlagen? Die goldenen Körner gegen die Halskette? Kö nigsegg hatte in der Wohnung an diese Möglichkeit gedacht.
    Aber er hatte die Unterredung zwischen dem professore und den Polizisten nicht verstanden, und es war durchaus denkbar, dass die Polizisten einen entsprechenden Vorschlag bereits zurückgewiesen hatten. Denn etwas, irgendetwas, war anders an diesen Polizisten – Königsegg hatte es die ganze Zeit gespürt. Er stieß einen Seufzer aus und kam zu dem Schluss, dass es daran lag, dass sie nicht käuflich waren.
    Sie bewegten sich noch immer in der Formation, in der sie das Haus verlassen hatten. Er und der

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