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Die Masken von San Marco

Die Masken von San Marco

Titel: Die Masken von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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war ein schmächtiger, unauffälliger Mann im Rang eines Stabsgefreiten, dessen Aufgabe es war, die Qualität der gelieferten Zündhütchen zu kontrollieren. Er widmete sich ihr so gewissenhaft, dass man ihn nach einem Streit mit seinem vorgesetzten Oberst unehrenhaft aus der Armee entließ. Ein Jahr später war Boldù ihm zufällig im Café Pedrocchi in Padua begegnet, wo sie ein langes Gespräch über das preu ßische Zündnadelgewehr führten. Wie waren sie auf  Windbüchsen gekommen? Boldù wusste es nicht mehr.
    Jedenfalls hatte Girandoni erwähnt, dass er in seiner Werkstatt immer einige auf Lager hatte – für besondere Kunden.
    Boldù hatte ihm bereits aus Wien ein Telegramm geschickt, und die Antwort war einen Tag später eingetroffen. Die Waffe lag für ihn bereit. Und Girandoni würde keine Fragen stellen.
    In Padua hatte der Nieselregen aufgehört, und es hatte ein wenig aufgeklart. Als Boldùs Kutsche durch abgeerntete Felder fuhr, konnte er am Horizont die Umrisse der Euganeischen Hügel erkennen. Girandoni bewohnte ein Haus an der Chaussee nach Abano Terme, umgeben von einer halb zerfallenen, efeubewachsenen Mauer und mindestens eine Meile von jeder menschlichen Behausung entfernt.
    Boldù entlohnte den Kutscher und kletterte hinaus. Au ßer einer graugefleckten Katze, die hinter dem Haus hervorkam und ihn aus sicherer Entfernung neugierig betrachtete, gab es kein Lebenszeichen auf dem Anwesen. Der Büchsenmacher schien nicht mal einen Hund zu besitzen.
    Boldù überquerte den unkrautüberwucherten Vorplatz,  stieg die zwei Stufen zur Tür hoch und klopfte. Erst nach dem zweiten Klopfen hörte er schlurfende Schritte. Zwei Schlösser wurden geöffnet, dann schwang die Tür auf.
    Wenn Girandoni sich freute, ihn wiederzusehen, dann  zeigte er es nicht. Sie gaben sich schweigend die Hand, und Girandoni führte Boldù durch den Flur in einen verwilderten Garten, in dem ein kleines Nebengebäude stand. Er schloss die Tür auf und ging voraus. Drinnen roch es nach abgestandenem Zigarrenrauch und Maschinenöl. Durch die schmutzigen Scheiben eines vergitterten Fensters fiel verwaschenes Herbstlicht in den Raum. Vor dem Fenster stand eine große Werkbank, auf der ein länglicher, in eine Decke eingeschlagener Gegenstand lag. Girandoni wickelte ihn aus und trat einen Schritt zurück.
    Boldù hatte zweimal für eine Operation eine Windbüchse benutzt, aber Girandonis fusil à vent war zierlicher als das Modell, das er kannte. Der gezogene Lauf aus matt glänzendem Metall, das präzise gearbeitete Schloss und die schlanke, wohlgeformte Windkammer boten einen erregenden Anblick. Boldù fühlte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte. Er räusperte sich. «Hat die Windkammer Kompression?»

    Girandoni nickte. «Es reicht für zehn Schüsse.»
    «Mehr als einen Schuss werde ich nicht abgeben können», sagte Boldù.
    «Aus welcher Entfernung?»
    «Gut hundert Meter.»
    «Dann sollten wir es ausprobieren.»
    Der Büchsenmacher schloss eine weitere Tür an der  Rückwand des Schuppens auf, und sie betraten ein freies, mit spärlichem Gras bewachsenes Gelände, das an ein kleines Pappelgehölz grenzte. An einem der Bäume war bereits eine Zielscheibe aus geflochtenem Stroh mit schwarzen Ringen und einem roten Kreis im Zentrum befestigt.
    «Von hier sind es ziemlich genau hundert Meter», erklärte Girandoni. «Werden Sie die Waffe auflegen können, wenn Sie arbeiten?»
    Boldù nickte. Er kniete hinter einem alten Fass nieder, das neben der Tür stand, und legte die Waffe an, wobei er den Deckel als Stütze für den Lauf benutzte.
    Die Optik war ausgezeichnet, der rote Punkt in der  Mitte der Zielscheibe deutlich zu erkennen. Boldù atmete tief durch, um die Spannung aus den Armen zu nehmen, zielte sorgfältig und zog den Abzugshebel durch. Die Waffe war nicht völlig lautlos, aber das hatte er auch nicht erwartet. Es gab einen Plopp – wie wenn man mit der flachen Hand auf ein leeres Fass schlägt. Aber niemand würde dabei an einen Schuss denken, zumal es weder Mündungsfeuer noch Rauchentwicklung gab. Wieder  zielte er sorgfältig, gab einen zweiten Schuss ab und danach einen dritten. Mit der Windbüchse unter dem Arm ging er zu der Pappel und untersuchte die Schießscheibe.
    Die Einschüsse lagen dicht beieinander, allerdings eine Handbreit links vom Zentrum. Also justierte er die Optik der Waffe mit Hilfe von zwei Schrauben, die an der Halterung des Zielfernrohrs angebracht waren, lief wieder zur Hütte

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