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Die Masken von San Marco

Die Masken von San Marco

Titel: Die Masken von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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mal ein paar Tage aufheben.»
    Tron sagte schnell und ohne nachzudenken: «Ich dachte, du kaufst sie bereits, wenn sie nicht mehr frisch sind.»
    Himmel, diese Bemerkung hätte er unterlassen sollen. Er duckte sich unwillkürlich. Aber anstatt eine scharfe Replik über den Tisch zu schleudern, nickte die Contessa lebhaft.
    «Das mache ich allerdings», sagte sie. «Wenn ich die Brötchen nachmittags kaufe, kosten sie die Hälfte. Ich erziele also in sechs Stunden einen Gewinn von hundert Prozent. Wenn du das auf das Jahr hochrechnest, wirst du zu dem Schluss kommen, dass ich mir frische Brötchen nicht leisten kann.»
    Dem konnte Tron nicht ganz folgen. Aber dass sie ihm tatsächlich zutraute, auf das Jahr hochzurechnen, fand er erstaunlich. «Ich dachte, die Verkaufszahlen sind so gut. Die Principessa meinte, euer Pressglas läuft hervorragend.»
    «Sag nicht immer euer Pressglas, als hättest du nichts damit zu tun, Alvise.»
    Tron lächelte konziliant. «Gut. Sie meinte, unser Pressglas läuft hervorragend.»
    «Das tut es allerdings. Was nicht bedeutet, dass wir nicht ständig investieren müssen. Wir können das Geld entweder verjubeln und verjuxen – wie es dein Vater immer getan hat – oder es eben in den Betrieb investieren .»

    Die Contessa sah Tron an, als würde er die Bedeutung ihres neuen Lieblingswortes nicht kennen. Dann nahm sie sich demonstrativ ein weiteres Brötchen und tunkte es in den dünnen Milchkaffee. «Die Principessa hat erwähnt, dass du bald ein Gespräch mit der Kaiserin führen wirst.»
    «Hat sie das?»
    «Ja, das hat sie. Und dass du die Sache mit den Schutzzöllen klären wirst. Immerhin bist du gut mit der Kaiserin bekannt, Alvise.»
    Wahrscheinlich, dachte Tron, würde die Contessa jetzt mit bewegter Stimme erwähnen, dass die Kaiserin schon mal Gast im Palazzo Tron gewesen war. Und er mit ihr in der sala getanzt hatte.
    «Schließlich war Elisabeth Gast in unserem Hause», sagte die Contessa mit bewegter Stimme. «Und du hast mit ihr in der sala getanzt. Falls du dich daran erinnerst.»
    Na bitte. Tron nickte. «Selbstverständlich erinnere ich mich daran.»
    «Und da ihr», fuhr die Contessa wieder mit normaler  Stimme fort, «gewissermaßen auf einem Plauderfuß miteinander steht, dürfte es kein Problem für dich sein, ihr den Fall zu schildern.»
    Dass er auf einem Plauderfuß mit Kaiserin Elisabeth stand, hatte Tron nicht gewusst, fand aber das Wort niedlich. «Die Frage ist, ob sich überhaupt eine Gelegenheit ergibt. Die Sicherung des kaiserlichen Besuches erfolgt ausschließlich durch militärische Kräfte. Wir haben nichts damit zu tun.»
    «Weil man euch nicht traut?»
    Tron nickte. «Darauf läuft es hinaus.»
    «Wird es keinen Empfang geben?»
    Tron zuckte die Achseln. «Niemand hat das genaue  Programm des Besuches. Zu welcher Stunde sich Franz  Joseph an welchem Ort aufhält, wird aus Sicherheitsgründen erst kurz vorher bekannt gegeben.»
    «Ist das nicht albern?»
    «Nicht unbedingt», entgegnete Tron. «Es kursieren in der Stadt Gerüchte über einen Anschlag.»
    Die Contessa beugte sich bestürzt über den Tisch. «Und du frühstückst hier in aller Ruhe?»
    Tron gähnte. Der dünne Kaffee war nicht geeignet, seine Lebensgeister zu wecken. «Bossi kümmert sich bereits darum», sagte er matt.
    Eine Antwort, die die Contessa zu einem langen, prü fenden Blick über den Tisch veranlasste. Schließlich schüttelte sie tadelnd den Kopf. «Weißt du, was dir völlig abgeht, Alvise?»
    Nein, das wusste er nicht. Biberzähne für die Brötchen?
    Geschmack an toten Fliegen? «Vielleicht kannst du es mir verraten», entgegnete Tron.
    «Beruflicher Ehrgeiz», verkündete die Contessa mit resignierter Stimme. «Genauso wie deinem Vater.» Sie lächelte gequält und griff nach ihrer Kaffeetasse. «Und wie gedenkst du den heutigen Tag zu verbringen?» Ein tiefer Seufzer deutete an, dass er seine Zeit wahrscheinlich vertrödeln würde.
    Tron hielt es für klüger, den Emporio della Poesia unter diesen Umständen nicht zu erwähnen. «Spaur hat mich aufgefordert, einen Plan für die Sicherung des kaiserlichen Besuches aufzustellen», log er. «Falls die Kommandantura uns in letzter Minute doch noch hinzuziehen sollte.»
    Die Contessa nickte befriedigt. «Es wäre fatal, wenn dem Kaiser etwas zustößt.»

34
    In der Nacht war ein heftiger Regen auf die Hofburg niedergegangen. Elisabeth war zweimal von dem Prasseln gegen ihre Fensterscheiben erwacht, und sie hatte jedes

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